Fünfmal Meister Proper

Stuttgart · Daimler hat die größte Motoren-Offensive seiner Geschichte gestartet. Die neuen Vier-, Sechs- und Achtzylindertriebwerke sollen stärker, sparsamer und sauberer sein. Denn Benziner und Diesel bleiben noch lange die wichtigsten Antriebe.

 Daimler betreibt in Sindelfingen ein sogenanntes Antriebsintegrationszentrum. Hier können neue Antriebe vollautomatisch getestet werden, sodass ein Betrieb rund um die Uhr möglich ist. Fotos: Daimler

Daimler betreibt in Sindelfingen ein sogenanntes Antriebsintegrationszentrum. Hier können neue Antriebe vollautomatisch getestet werden, sodass ein Betrieb rund um die Uhr möglich ist. Fotos: Daimler

Die Daimler AG läutet die größte Motorenoffensive in ihrer Geschichte ein, ausgerechnet zu einer Zeit, da Verbrennungs- und insbesondere Dieselmotoren kritisch betrachtet werden, da sie aus den Städten ausgesperrt und später eventuell verboten werden sollen. Das Zusammentreffen ist freilich Zufall. Für Thomas Weber, den Entwicklungschef, sind die drei Milliarden Euro gut angelegt: "Benzin- und Dieselmotoren bleiben noch lange die wichtigste Antriebsquelle."

Daimler muss in der Tat nichts fürchten, zumindest nicht künftige Vorschriften, betreffen sie nun CO{-2} (maximal 95 Gramm pro Kilometer ab 2021) oder Abgase (Euro 6c, Abgasmessungen im realen Fahrbetrieb). Die Motoren sind mit allem gerüstet, was die Technik heute bereithält, von Zylinderabschaltung bis zum elektrischen Verdichter, von Start-Stopp und Rekuperation mit 48 Volt-System bis zum Partikelfilter für Benzinmotoren.

Fast alles zusammen findet sich am neuen Sechszylinder-Benzinmotor mit der internen Bezeichnung M 256. Mit Turbo zieht er bei erheblich niedrigerem Verbrauch in der Leistung einem Achtzylinder gleich: bis 408 PS/300 kW, über 500 Nm Drehmoment. Premiere feiert ein elektrischer Zusatzverdichter, der bei niedrigen Drehzahlen den Turbo unterstützt. Ein Turboloch beim Beschleunigen gehört damit der Vergangenheit an. Bei niedrigen Touren stellt zudem der integrierte Startergenerator zusätzlich bis zu 220 Nm bereit. Beim Gaswegnehmen erzeugt er Strom. Dritte Funktion ist - für die Insassen unmerkliches - das Starten des Motors nach "Segel"-Phasen, in denen der Wagen mit abgestelltem Motor rollt.

Zum Startergenerator gehört ein 48-Volt-System, das auch Wasserpumpe und Klimakompressor versorgt. Letztes Highlight ist der serienmäßige Filter. Er fängt die bei modernen Benzinmotoren mit Direkteinspritzung verstärkt auftretenden Partikel aus den Abgasen.

Startergenerator, 48 Volt und Filter finden sich auch am neuen Vierzylinder. Er startet ebenfalls im nächsten Jahr. 272 PS/200 kW und 400 Nm maximales Drehmoment entsprechen den Leistungen potenter Sechszylinder . Mit nur vier Töpfen aber ist der M 264 erheblich sparsamer und dank Filter besonders sauber. Das Start-Stopp-System (48 Volt ) sorgt auch hier für zusätzlichen Schub beim Beschleunigen, für Energie-Rückgewinnung beim Gaswegnehmen und für unmerkliches Wiederanlassen nach "Segel"-Phasen.

Neu ist auch der V8. Der Biturbo wurde von AMG entwickelt, er leistet 476 PS/350 kW. Technisches Highlight ist die Abschaltung einzelner Zylinder bei geringem Leistungsbedarf.

Zwei Diesel ergänzen das Programm. Der Erste, interne Bezeichnung OM 654, ist in der E-Klasse bereits Serie: 195 PS/143 kW, 400 Nm Drehmoment. Neben ihn tritt 2017 der Sechszylinder OM 656 mit 312 PS/230 kW und 650 Nm als bisher stärkster Pkw-Diesel von Mercedes-Benz . Beide beschreiten neue Wege in der Abgasreinigung. Ihre bisher im Motorraum und unter dem Wagenboden einzeln untergebrachten Teile werden unmittelbar am Motor zusammengefasst. Dies vereinfacht den Einbau und steigert vor allem die Wirksamkeit: Oxidationskatalysator, Harnstoff-Mischer und der auch der NOx-Reduktion dienende Partikelfilter erreichen nach dem Kaltstart viel rascher ihre Betriebstemperatur. Unabhängige Tests bescheinigen der neuen E-Klasse mit dem Vierzylinder-Diesel Emissionswerte weit unter den strengsten gültigen Grenzen.

 Der neue Sechszylinder-Benzinmotor von Mercedes-Benz.

Der neue Sechszylinder-Benzinmotor von Mercedes-Benz.

 In der S-Klasse erprobt Mercedes auch den neuen Reihensechszylinder-Benziner, der besonders sparsam und abgasarm werden soll.

In der S-Klasse erprobt Mercedes auch den neuen Reihensechszylinder-Benziner, der besonders sparsam und abgasarm werden soll.

Der neue Motorenbaukasten rationalisiert dazu die Produktion. Mit Ausnahme des V8 gibt es nur noch Reihenmotoren, der V6 entfällt. Zylindervolumen (500 ccm) und -abstand (90 Millimeter) sind stets gleich. Stahlkolben bewegen sich im Alublock, üblicherweise ist es umgekehrt. Stahl aber hat eine geringe Wärmedehnung, das Kolbenspiel wächst mit der Temperatur und die Reibung sinkt. Das Gleiche bezweckt "Nanoslide": Die Zylinderlaufbahnen werden ultrafein mit einer sehr verschleißfesten Eisen-Kohlenstoff-Verbindung beschichtet. Sie spart die schweren Grauguss-Buchsen, die ein Alublock sonst verlangt. Der Motor wird leichter und die Reibung weiter herabgesetzt.

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