Billige Versicherung für zarten Gasfuß

Goslar · Kfz-Versicherungen sind teuer, die Kriterien, nach denen Prämien erhoben werden, undurchsichtig. Experten diskutieren jetzt darüber, ob Tarife, die den Fahrstil berücksichtigen, gerechter sind. Wollen Autofahrer überhaupt, dass ihr Fahrverhalten überwacht wird?

 Eine solche handliche Telematik-Box wird ins Auto eingebaut, wenn der Fahrer einverstanden ist, sein Fahrverhalten aufzeichnen zu lassen. Bei einem vorsichtigen Fahrstil sinkt die Höhe der Kfz-Versicherung. Foto: HUK-Coburg

Eine solche handliche Telematik-Box wird ins Auto eingebaut, wenn der Fahrer einverstanden ist, sein Fahrverhalten aufzeichnen zu lassen. Bei einem vorsichtigen Fahrstil sinkt die Höhe der Kfz-Versicherung. Foto: HUK-Coburg

Foto: HUK-Coburg

Manchmal wirft eine Diskussionsrunde mehr Fragen auf als erhellende Antworten gegeben werden. Es ist aber auch ein spannendes Thema, dem sich kürzlich Versicherungs-Fachleute und Verbraucherschützer auf Einladung des Goslar-Instituts gewidmet haben. Diese von der HUK-Coburg unterstützte "Studiengesellschaft für verbrauchergerechtes Versichern" hat mit einer Studie an den Pfeilern der Versicherungen gerüttelt: "Geschäft oder Gewissen? Vom Auszug der Versicherung aus der Solidargemeinschaft."

Ist es also wünschenswert, dass beispielsweise bei einem riskanten Fahrstil höhere Versichrungsprämien verlangt werden? Wenn ja, wer profitiert davon? Tatsächlich gibt es neuerdings auch in Deutschland Erfahrungen mit den sogenannten Telematik-basierten Kfz-Tarifen. Vornehmlich junge Autofahrer nutzen derzeit das Angebot, ihre Prämie durch ihr Fahrverhalten beeinflussen zu können. Ein eingebautes Modul im Auto erhebt regelmäßig Daten zu Orten und Zeiten. Hinzu kommen unter anderem sogenannte Eco-Scores, die Tempo, Beschleunigung, Ausrollen und Gleichmäßigkeit dokumentieren. Die Informationen ergeben einen Gesamtpunktestand. Je näher ein Fahrer an das bestmögliche Ergebnis von 100 Punkten herankommt, desto risikoloser gilt sein Fahrstil und er muss nur eine relativ geringe Prämie bezahlen. Wer nur wenige Punkte erreicht, gilt hingegen als riskanter Fahrer. Damit steigt die Prämie.

Wer Telematik-Systeme nutzt, kann jederzeit sein Profil einsehen und bei Bedarf dank gezielter Tipps seinen Fahrstil ändern.

Das Goslar-Institut wollte wissen, ob die Öffentlichkeit diese Tarife als gerechter empfindet, weil positives Verhalten belohnt und ein erhöhtes Risiko bestraft wird.

In einer Umfrage wurden 1070 Teilnehmern drei Fragen gestellt:

Sollen Autofahrer, die besonders vorsichtig fahren, weniger Beitrag zahlen? 58 Prozent der Befragten stimmen dem zu.

Sollen ältere Wagenlenker, nur weil sie ein höheres Unfallrisiko haben, automatisch in einer höheren Beitragsklasse eingestuft werden? Hier steht es halbe-halbe: 50 Prozent können sich mit diesem Gedanken anfreunden.

Wie wäre es, wenn in die Kosten für die Autoversicherung auch das persönliche Einkommen einfließen würde? 42 Prozent finden dies eher ungerecht, 22 Prozent könnten sich dafür erwärmen.

In allen drei Fällen scheint die Entscheidung nicht einfach gewesen zu sein, denn jeweils rund ein Drittel kommt zu der Erkenntnis, dass die jeweils erfragte Regelung teils-teils sinnvoll und gerecht sei.

Unabhängig von der Betrachtung, ob Versicherungstarife jemals wirklich gerecht sein können, möchte das Goslar-Institut als versicherungsnahes Unternehmen die Stimmung in der Gesellschaft ausloten: Akzeptiert die Bevölkerung eine künftige Einführung von telematischen Tarifen? Trotz der zahlreichen Daten, die dafür aufgezeichnet werden, können sich 46 Prozent der Bürger eine Telematik-basierte Kfz-Versicherung vorstellen. 43 Prozent lehnen dies aus Gründen des Datenschutzes und wegen des Wunsches nach Wahrung der Privatsphäre ab. Nur jeder Zehnte zeigt sich unentschlossen.

Da Menschen ihr Verhalten am ehesten ändern, wenn eine Belohnung winkt, wurde auch gefragt, wie viel preiswerter die Versicherung sein müsste, damit der Versicherte einen fahrstilbezogenen Telematik-Tarif wählt. 40 Prozent der Befragten würden bei einem Prämienvorteil von mindestens 45 Prozent über einen Wechsel nachdenken. Bleibt noch die Frage, welchen Einfluss eine Überwachung auf den Fahrstil hätte. 70 Prozent meinten, dass die meisten Menschen dann wahrscheinlich etwas vorsichtiger fahren würden.

Auch wenn die Versicherungen selbst in den Telematik-Tarifen eine Voraussetzung für mehr Verkehrssicherheit und transparentere Prämien sehen, merkten bei der Veranstaltung einige wenige kritische Stimmen an, dass die Profitmaximierung weiterhin oberstes Ziel bleibe. Zudem sei nicht auszuschließen, dass findige Tüftler das Telematik-System manipulieren könnten.

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 Hat der Fahrer einen Telematik-Tarif gewählt, sendet die Box Daten an die Versicherung. Foto: Bosch

Hat der Fahrer einen Telematik-Tarif gewählt, sendet die Box Daten an die Versicherung. Foto: Bosch

Foto: Bosch

Kostenlose Telematik-Box Die Kfz-Versicherungen stellen ihren Kunden die Telematik-Boxen kostenlos zur Verfügung. Auch der Einbau ist kostenfrei. Die Box zeichnet während der Fahrt zum Beispiel Ort, Zeit, Geschwindigkeit, Beschleunigung, Bremsen und Lenken auf. Daraus errechnet sich ein Gesamtfahrwert, der die Höhe des Bonus für den Kunden bestimmt. Autofahrer mit Internetzugang können ihre Werte über eine spezielle App einsehen. Die Telematik-Box verfügt außerdem über einen automatischen Unfallalarm. Im Notfall sendet sie Informationen an einen Servicedienst.

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