Adrenalinstöße für brave Familienväter
Köln · Volvo und die Tuningfirma Polestar verbindet eine 20-jährige Partnerschaft, die anfänglich den Motorsport betraf. Seit 2009 gibt es Leistungssteigerungen und Designelemente auch für Serienmodelle. 2015 hat Volvo Polestar übernommen. Nun stehen für Deutschland pro Jahr 150 hochgezüchtete S60 und V60 bereit.
Mit der reinen Vernunft lässt es sich nicht erklären, warum sorgsame und pflichtbewusste Familienväter die Sehnsucht nach einem pfeilschnellen Volvo mit der Zusatzbezeichnung Polestar treibt. Wohlgemerkt nach einer S60- oder V60-Kutsche, die vornehmlich im Dienst für den eigenen Nachwuchs bewegt wird.
Möglicherweise mag das Schielen zu den RS-Modellen bei Audi , M bei BMW oder AMG bei Mercedes-Benz eine Rolle spielen. Tatsache ist, dass neuerdings die Mittelklasselimousine S60 sowie der Kombi V60 in einer verblüffenden Polestar-Ausführung einschließlich Allradantrieb und allen schwedischen Sicherheitssystemen greifbar sind. Ausgefeilte Ingenieurstechnik katapultiert den mittels Turbo und Kompressor aufgeladenen 367 PS/270 kW starken 2,0-Liter-S60 in 4,7 Sekunden von Null auf Hundert. Das setzt eine denkwürdige Volvo-Duftmarke außerhalb von Rennstrecken.
Natürlich sind die zwei 60er-Schweden ihren T6-Basis-Geschwistern, die ebenfalls nicht an Kraftlosigkeit leiden, in allen Disziplinen überlegen. Antriebsstrang, Bremsen, Lenkung und Fahrwerk wurden speziell auf brachiale Leistung getrimmt. Äußerlich erkennt man die beiden Boliden an relativ unauffälligen Merkmalen: Frontsplitter, Heckspoiler und Diffusor sind zweifelsfrei hilfreich dabei, ein Abheben des Fahrzeugs zu verhindern.
Vergleichsweise bescheiden wirkende Polestar-Plaketten vorn und hinten unterstreichen den Hang zur Untertreibung. Mann möchte unerschütterlich im Saft stehen, aber ohne es protzig zu zeigen. Natürlich lässt sich die hierzulande erstmalig angebotene Polestar-Baureihe zivilisiert durchs Getümmel lenken.
Sobald man sich aber dem Vergnügen hurtigen Fahrens hingibt, steigen Blutdruck, Leistungs-Kennzahlen und unweigerlich damit verbunden auch der Verbrauch. Nach einer 200 Kilometer langen S60-Polestar-Testfahrt über Berge, Täler und Autobahnen hatten wir laut Bordcomputer 11,5 Liter verbrannt.
Aber zurück zum Fahrerlebnis. Drückt man an der Achtstufen-Automatik den Wählhebel beherzt nach links in die manuelle Schaltkulisse, legen Gaspedal, Getriebe und Dämpfer gewissermaßen die Ohren an - und es geht eine Spur flinker, härter und geräuschvoller zu. Dem lässt sich mit dem Sportplus-Modus noch eins drauf setzen, indem der Hebel nach oben gedrückt, gehalten und währenddessen per Schaltwippen am Lenkrad zweimal kurz das Herunterschalten provoziert wird. Dem wahren Motor-Fetischisten entfährt daraufhin nur noch ein Kommentar: "Rattenscharf!"
Wer nun glaubt, dass das Fahrwerk bretthart ausgelegt ist, wird eines Besseren belehrt: konzentriert straff, aber für regelmäßige Touren mit der Familie durchaus passend. Im Innenraum präsentiert sich die Polestar-Version in bester Ausstattung, einschließlich Karboneinlagen, beheizbarem Lederlenkrad und internetfähigem Infotainment-System.
Die S60-Limousine in Polestar-Ausführung steht ab 68 000 Euro in der Preisliste, der V60-Polestar-Kombi schlägt mit 69 600 Euro zu Buche.
Zum Thema:
Ausführung:LimousinePreis:68 000 EuroLänge:4,64 MeterBreite:1,87 MeterHöhe:1,48 MeterRadstand:2,78 MeterLeergewicht:1751 KilogrammZuladung:429 KilogrammGepäckraum:380 LiterAnhängelast:keine Angaben Motor:4-Zylinder-BenzinerHubraum:1969 ccmLeistung:367 PS/270 kWDrehmoment:470 Newtonmeter bei 3100 U/minAbgasnorm:Euro 6CO{-2}-Ausstoß:179 g/kmSpitze:250 km/h0 auf 100 km/h:4,7 SekundenNormverbrauch:7,8 Liter Super
