Facebook zeigt unerhörte Dinge

San Jose · Das Unternehmen will künftig verstärkt virtuelle Informationen in die Wirklichkeit einbinden. Die Entwicklerkonferenz wird jedoch vom Fall eines Mörders überschattet, der ein Video seiner Tat auf dem sozialen Netzwerk präsentiert.

(dpa) Facebook will eine neue Plattform rund um die sogenannte erweiterte Realität (Augmented Reality) aufbauen, bei der virtuelle Objekte in die reale Umgebung integriert werden. Das Smartphone mit Kamera und Bildschirm werde dafür das entscheidende Gerät sein, sagte Gründer und Chef Mark Zuckerberg zur Eröffnung der hauseigenen Entwicklerkonferenz F8. Die Technik soll zum Beispiel bei Online-Spielen zum Einsatz kommen. Damit ließen sich aber auch etwa Kunstwerke für Betrachter auf einem Smartphone-Bildschirm auf weiße Hauswände in der Stadt projizieren oder Nachrichten nur für bestimmte Menschen auf dem Display sichtbar machen. "Wir fangen heute an, diese neue Plattform zu bauen", kündigte Zuckerberg an.

Eine gute Stunde bevor Zuckeberg die Bühne des traditionsreichen Civic-Konzertsaals im kalifornischen San Jose betrat, endete die tagelange Fahndung nach dem Mann, der ein Mord-Video beim Online-Netzwerk hochgeladen hatte. Auch der Schlusspunkt war blutig: Der flüchtige Verdächtige tötete sich nach einer kurzen Verfolgungsjagd selbst. Er hatte am Wochenende einen anscheinend zufällig ausgewählten Rentner auf offener Straße erschossen und die Tat gefilmt.

Facebook löschte das Video mit dem Mord zwar 23 Minuten nach dem ersten Nutzer-Hinweis. Doch blieb es insgesamt über zwei Stunden online. Ein erstes Video, in dem die Tat angekündigt worden war, blieb gänzlich unbemerkt. Und nach dem Hinweis auf einen Livestream, in dem der Verdächtige danach den Mord gestand und von weiteren Tötungen sprach, passierte erst einmal nichts.

Das zeige, dass Facebook noch viel Arbeit vor sich habe, räumte Zuckerberg auf der F8-Bühne ein. Er sprach der Familie des Opfers sein Beileid aus und versicherte: "Wir werden weiterhin alles tun, was wir können, um solche Tragödien zu verhindern."

Die Frage ist jedoch, welche Möglichkeiten das weltgrößte Online-Netzwerk dafür überhaupt hat. Insbesondere Livestreaming entfesselt Möglichkeiten, die schwer zu kontrollieren sind. So wurden über Facebook Live eine Vergewaltigung und Selbstmorde übertragen. Aber zugleich offenbarte im vergangenen Sommer der dramatische Livestream einer Polizeikontrolle, bei der der Amerikaner Philando Castile starb, einen Fall ungerechtfertigter Gewalt, der sonst vielleicht nie hätte nachgewiesen werden können.

Was kann Facebook tun? Jedes Video vorher prüfen zu lassen, ist angesichts der schieren Masse keine Option, zumal es auch jede Menge anderer Videoplattformen gibt, auf die Nutzer ausweichen könnten. Bilderkennung auf Basis künstlicher Intelligenz könnte mächtig genug sein, um Gewaltszenen zu identifizieren. Aber wie gut kann die Maschine verstehen, ob es ein Mord aus dem echten Leben, eine Filmszene oder eine historische Aufnahme ist?

Auf der Entwicklerkonferenz kündigte Facebook weiterhin an, virtuelle Realität im Rahmen von Telefonaten in seinen Kurzmitteilungsdienst Messenger zu integrieren. Darüber hinaus soll der Messenger zu einem umfassenden Kommunikationsservice ausgebaut werden. Dabei sollen Unternehmen im Messenger genauso leicht zu finden sein, wie Menschen, hieß es auf der F8. Facebook will den Messenger auch zu der Plattform ausbauen, über die Unternehmen mit ihren Kunden kommunizieren. "Niemand ruft gern bei einer Firmen-Hotline an", sagte ein Vertreter des Unternehmens.

Dabei sollen auch in großem Maßstab Programme zum Einsatz kommen, die automatisch mit den Nutzern kommunizieren können, sogenannte Bots. Ein Jahr nach dem Start einer entsprechenden Plattform seien bereits 100 000 Bots bei Facebook aktiv. Die Software wurde nach anfänglicher Begeisterung in vielen Fällen kritisiert. Dennoch sollen die Funktionen der Plattform laut Ankündigung des Unternehmens weiter ausgebaut werden.

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Das Konzept der "erweiterten Realität" (Augmented Reality; kurz: AR) verbindet computererzeugte Informationen und Objekte mit der wirklichen Welt. Dafür kommen Geräte wie Smartphones oder spezielle Brillen zum Einsatz. Ein Beispiel für einen AR-Effekt sind eingeblendete Masken auf Porträtfotos.

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