Der Datensammler am Handgelenk

Saarbrücken · Mit so genannten Fitness-trackern können Sportler ihre Aktivitäten aufzeichnen und auswerten. Es sind insbesondere Männer im Alter ab 50 Jahren, die auf diese digitalen Helfer vertrauen.

 Fitnesstracker dokumentieren sportliche Leistungen. Sie können die Laufstrecke und den Kalorienverbrauch registrieren. Foto: Fotolia

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Sie werden an der Hose oder am Handgelenk getragen und sammeln Daten über unsere täglichen Fitnessaktivitäten. Dabei zeichnen sie Puls, Körpergewicht, Schlafverhalten oder pro Tag gelaufene Schritte auf und speichern diese Messwerte auf dem Computer oder Smartphone. Die so genannten Aktivitätstracker (aus dem Englischen: "to track", zu Deutsch "verfolgen") sollen auf diese Weise das Bewusstsein für den eigenen Körper stärken, zu mehr Bewegung und einem gesünderen Lebensstil animieren. Aber funktioniert das wirklich? Was bringen die gesammelten Daten? Wer nutzt die Geräte und wie oft? Welche Daten interessieren die Träger der Fitnessarmbänder besonders?

Diesen Fragen geht Jochen Meyer am Informatik-Institut OFFIS in Oldenburg nach. Sein Team hat über 100 Nutzer dieser Tracker über einen Zeitraum von zweieinhalb Jahren begleitet. Auf den ersten Blick überrascht, dass es nicht die Altersklasse der technisch versierten 20-Jährigen ist, die auf die Informationen der Tracker vertrauen: "Digitale Fitnesshelfer sind vor allem bei Männern über 50 Jahren beliebt." Dass vor allem Männer die Geräte verwenden, könne daran liegen, dass Installation und Handhabung eine gewisse Begeisterung für technische Spielereien erforderten, so der Informatiker.

Laut Meyer messen die Nutzer am häufigsten, wie viele Schritte sie am Tag zurücklegen. Auch ihr Gewicht behalten viele im Auge. Wer sich Gedanken über seine Gesundheit mache, zeichne zusätzlich die Atemfrequenz oder den Herzschlag im Schlaf und generelle Schlafmuster auf. Insgesamt seien spezialisierte Geräte für die Messung viel beliebter als Apps für das Smartphone: "Das Fitnessarmband trägt man immer, das Smartphone lässt man schon mal auf dem Tisch liegen", so die Begründung des Forschers.

Beim Nutzungsverhalten unterscheidet der Wissenschaftler zwischen zwei großen Gruppen von Menschen. Zwar gebe es die so genannten Power User, die Tracker täglich über viele Monate verwendeten. Das treffe aber auf weniger als ein Zehntel der Anwender zu. Die restlichen 90 Prozent nutzten die Geräte eher sporadisch.

So verwendeten viele Menschen die Tracker für ein paar Tage und ließen sie dann über einen ähnlichen Zeitraum links liegen. Laut Meyer steht für diese Nutzer wahrscheinlich der Wunsch im Vordergrund, eine Belohnung für das eigene Verhalten in Form einer hohen Schrittzahl auf dem Tracker zu sehen. Eine andere Gruppe mache längere Pausen, hole den Tracker aber regelmäßig für ein paar Tage hervor. Die dritte Gruppe nutzt die Geräte laut dem Forscher im Allgemeinen nur wenige Wochen und fasst sie danach nicht mehr an.

Eine Forschergruppe der Universitäten Köln und Heilbronn hat kürzlich sowohl die am Arm getragenen, als auch die Smartphone-Schrittzähler bei einem Marathon in Baden-Württemberg auf ihre Genauigkeit hin untersucht. Die Wissenschaftler analysierten insgesamt 1000 Geräte. Sie kamen in der Endauswertung zu dem Ergebnis, dass beide Formen der Geräte überraschend exakte Werte liefern. Über die Distanz eines kompletten Marathons (42 Kilometer) wichen die Fitness-Armbänder im Durchschnitt nur 200 Meter, die Smartphone-Anwendungen nur 350 Meter von der tatsächlich gelaufenen Distanz ab.

Die gesammelten Daten werden bei den meisten Fitness-Trackern online in einem Cloud-Speicher oder direkt auf dem Smartphone gespeichert. Da sich aus den gespeicherten Messwerten zum Teil Rückschlüsse auf die Gesundheit ziehen lassen, ist Datenschutz ein wichtiges Thema.

2015 hat das IT-Sicherheitsinstitut AV-Test verschiedene Aktivitätstracker unter die Lupe genommen, teilweise mit besorgniserregenden Ergebnissen. Besonders die Datenübertragung vom Tracker zum Smartphone oder Computer über Bluetooth sei bei einigen der getesteten Produkte angreifbar. Auch die auf dem Smartphone gespeicherten Daten seien nicht immer ausreichend geschützt. "Es werden die gleichen Fehler wie in anderen Bereichen des Internets der Dinge gemacht: Sicherheit ist nur eine Randnotiz", sagt Maik Morgenstern von AV-Test.

Laut Fitness-Forscher Jochen Meyer ist der Schutz der Daten für die Nutzer der Tracker dennoch ein eher untergeordnetes Thema. Für die meisten Anwender sei Datenschutz zwar wichtig, sie gingen aber davon aus, dass keine sensiblen Daten gespeichert würden. Das ist aber eine Fehleinschätzung. "Besonders, wenn orts- oder personenbezogenen Aktivitäten aufgezeichnet werden, ist das natürlich schon bedenklich", so die Meinung des Forschers.

Helfen die Aktivitätsmesser dabei, gesünder zu leben? Laut Meyer hängt das weniger von der Technik als von den Charaktereigenschaften des Anwenders ab. Ist der Nutzer gewillt, seinen Lebensstil zu verändern, könne ein Tracker durchaus eine große Hilfe darstellen, da das eigene Verhalten deutlich sichtbar werde. Wenn dies nicht der Fall sei, bringe ein Tracker meist keine große Veränderung, so der Wissenschaftler.

Generell wirke der Fitnesstracker aber für die allermeisten Menschen als Denkanstoß, um über das eigene Verhalten nachzudenken. So schafften sich beispielsweise zahlreiche Menschen als Reaktion auf die Messergebnisse einen Hund an, um öfter vor die Tür zu kommen, sagt Jochen Meyer.

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