Europa-Richter stoppen Datensammler

Luxemburg · Wer im Internet surft oder telefoniert, hinterlässt eine Datenspur. Die Sicherheitsbehörden auch in Deutschland können darauf zugreifen, wenn sie schwere Straftaten wittern. Die generelle Speicherung dieser Daten hält der Europäische Gerichtshof aber für unzulässig.

 Durch die Speicherung von Kommunikationsdaten könnten Behörden genaue Profile von Nutzern erstellen, warnen Kritiker. Foto: Jensen/dpa

Durch die Speicherung von Kommunikationsdaten könnten Behörden genaue Profile von Nutzern erstellen, warnen Kritiker. Foto: Jensen/dpa

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Die umstrittene Vorratsdatenspeicherung in Deutschland ist gerade erst ein Jahr in Kraft. Und schon geht es dem Regelwerk wieder an den Kragen. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg kippte gestern jede "allgemeine und unterschiedslose" Vorratsdatenspeicherung , weil diese "sehr genaue Rückschlüsse auf das Privatleben" zulasse.

Die Richter wurden unmissverständlich deutlich: "Der Grundrechtseingriff, der mit einer nationalen Regelung einhergeht, die eine Speicherung von Verkehrs- und Standortdaten vorsieht, ist als besonders schwerwiegend anzusehen", heißt es in einer Erklärung des Gerichts.

Auslöser des Verfahrens waren Klagen, die einem schwedischen und einem britischen Gericht vorliegen. In diesen Anfragen ging es um die staatlich verordnete Speicherpflicht. Bei dem daraus abgeleiteten Grundsatzspruch geht es um die systematische Erfassung aller Telefon- und Internetdaten jedes Bürgers. Deutschland hat 2015 die Telekommunikationsanbieter verpflichtet, diese Daten bis zu zehn Wochen aufzuheben und abrufbar zu halten, falls Ermittler im Rahmen von Terrorverfahren oder Ermittlungen im Zusammenhang mit schwerer Kriminalität darauf zugreifen wollen.

Erfasst werden die Rufnummern sowie der Zeitpunkt und die Dauer eines Gespräches. Beim Surfen im Internet speichern die Unternehmen die IP-Adresse, nicht aber E-Mails. Auch Inhalte anderer Kommunikation werden nicht registriert. Zusätzlich bewahren Provider die Standortdaten von Mobiltelefonen vier Wochen lang auf.

Zusammen ergibt das Bewegungsprofile von Nutzern, die ohne konkreten Anlass gesammelt werden - nur für den Fall, dass die Polizei sie benötigt. Für den EuGH ist das ein schwerer Eingriff in die Persönlichkeitsrechte.

Genaue Bedingungen

Zwar dürfe der Staat den Sicherheitsbehörden gestatten, Daten zur Verbeugung, Verhinderung und Fahndung zu erfassen. Aber die Richter knüpften daran genaue Bedingungen. So muss die Auswahl der personenbezogenen Informationen auf das "absolut Notwendige beschränkt" werden. Außerdem ist die Erfassung nur nach einem richterlichen Beschluss erlaubt. Zumindest das gehört in Deutschland bereits heute zu den gesetzlichen Auflagen.

Zusätzlich gilt: Die gespeicherten Informationen dürfen nur auf Servern abgelegt werden, die in der EU stehen. Entsprechende Gesetze müssten zudem "klar und präzise sein und Garantien enthalten, um Daten vor Missbrauchsrisiken zu schützen."

"Nun muss auch Deutschland reagieren und die erst im vergangenen Jahr verabschiedete Neuauflage der Vorratsdatenspeicherung ein für alle Mal auf den Müllhaufen der Geschichte verbannen", sagte der politische Geschäftsführer des Vereins Digitale Gesellschaft, Volker Tripp. Patrick Breyer, netzpolitischer Sprecher der Piratenpartei , betonte: "Das deutsche Gesetz verstößt gegen europäische Grundrechte . Mit diesem Urteil erteilt Europa der NSA-Methode einer wahllosen Massenerfassung des Privatlebens unschuldiger Bürger eine klare Absage."

Der EuGH hatte bereits im April 2014 strenge Vorgaben zur Vorratsdatenspeicherung gemacht. Damals erklärte das Gericht eine EU-Richtlinie zum Thema für ungültig. Durch den neuen Spruch könnte es sein, dass Deutschland sein Gesetz ein weiteres Mal überarbeiten muss.

Meinung:

Daten-Schnüffelei

Von Detlef Drewes

Dieses Urteil war zu erwarten. Schon einmal hat das höchste EU-Gericht in Luxemburg die Vorratsdatenspeicherung gekippt. Als der deutsche Gesetzgeber einen weiteren Anlauf wagte und im Vorjahr auch in Kraft setzte, war absehbar, dass es nicht lange dauern würde, bis die Richter die pauschale Speicherung von Daten stoppen würden. Zu tief greifen die Sicherheitsbehörden damit in die Grundrechte der Persönlichkeit ein.

Gestern dann ein deutlicher Richterspruch aus Luxemburg , der zu einem schwierigen Zeitpunkt kommt. Denn nach dem jüngsten verheerenden Terroranschlag in Berlin wollen die Innenpolitiker nicht nur in Deutschland eigentlich neue Fahndungsmöglichkeiten schaffen.

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