Die fliegende Dampfmaschine

Stuttgart · Nachdem der Elektroantrieb am Boden Fuß gefasst hat, soll er nun auch die Lüfte erobern. Eine Möglichkeit der Energieversorgung bietet die Brennstoffzelle. Sie wird nun in einer Maschine des Deutschen Zentrums für Luft und Raumfahrt getestet.

 Der Propellermotor des Elektroflugzeugs HY4 leistet 80 Kilowatt (rund 110 PS). Er bezieht seine Energie aus einer Brennstoffzelle. Foto: DLR

Der Propellermotor des Elektroflugzeugs HY4 leistet 80 Kilowatt (rund 110 PS). Er bezieht seine Energie aus einer Brennstoffzelle. Foto: DLR

Foto: DLR

Drei Gründe sprechen fürs elektrische Fliegen, erklärt Professor André Thess vom Deutschen Zentrum für Luft und Raumfahrt (DLR) in Stuttgart : Ein Elektroantrieb ist effizienter als ein Verbrennungsmotor. Es entsteht kein Abgas. Und die Flugzeuge werden sehr, sehr viel leiser. Das demonstrierten Thess und sein Kollege Josef Kallo von der Universität Ulm vor Kurzem am Flughafen Stuttgart . Die Flugsicherung sorgte für eine Pause im allgemeinen Flugbetrieb, in der keine klassische Maschine abhob oder landete. In dieser Zeit drehte fast lautlos eine kleine Propellermaschine ihre Jungfernrunde über den Pisten.

"HY4" heißt das Flugzeug, ausgesprochen "Hai-for", wobei die "4" für die Zahl der Passagiere steht. Das "HY" ist eine Abkürzung für den Treibstoff Wasserstoff . In den Drucktanks des Flugzeugs befindet sich gasförmiger Wasserstoff , der in einer Brennstoffzelle in elektrischen Strom umgewandelt wird. Dieser treibt dann den E-Motor des Propellers an. Schon vom Aussehen unterscheidet sich HY4 von anderen Flugzeugen. Verblüfft betrachtet man zwei Kabinen für je zwei Personen, die durch ein kurzes Tragwerkselement verbunden sind. Dort sitzt mittig der Propeller. Beim Jungfernflug saßen die Piloten Johannes Anton und Nejc Faganelj in der rechten Kabine. Die linke enthielt Ballast.

"Das Fliegen ist schon etwas ungewöhnlich, da man außerhalb der Mitte sitzt", erklärt Anton. Das gilt es bei Kurven zu berücksichtigen. "Toll ist die Ruhe im Cockpit", erklärt der Testpilot des DLR. Mit modernen Turbinenmaschinen wollen die Forscher und Entwickler zunächst nicht konkurrieren. "Wir wollen testen und Erfahrungen sammelt", erklärt Chefentwickler Josef Kallo.

In einem Teil des Doppelrumpfs des Flugzeugs befinden sich die Wasserstofftanks. Derzeit steht das Gas unter 350 bar Druck. In Zukunft könnten es 700 bar werden. Der Wasserstoff gelangt in eine Niedertemperatur-Brennstoffzelle, in der das Gas mit dem Sauerstoff der Luft reagiert und elektrischen Strom erzeugt. Übrig bleibt als Abgas reiner Wasserdampf.

Ein Hochleistungsakku auf Lithium-Basis sorgt für zusätzlichen Schub, wenn volle Leistung zum Beispiel beim Start verlangt ist. Der Clou dabei: Im Sinkflug kann Bewegungsenergie wieder in elektrische Ladung der Batterie zurückverwandelt werden. Fachleute nennen das Rekuperation.

HY4 erreicht eine Reisegeschwindigkeit von 145 Kilometern in der Stunde. Die Reichweite beträgt je nach Nutzlast 700 bis 1500 Kilometer.

Für die Entwickler ist die HY4 nur ein Testmodell für weitere Demo-Flugzeuge. Das nächste Modell könnte schon sechs bis acht Personen befördern - dann allerdings in der üblichen zigarrenförmigen Kabine. Im kommenden Jahr steht für die Entwickler ein Rundflug durch Europa an. Genaueres will Kallo noch nicht sagen. "Wir wollen zeigen, wie ein regionaler Flugverkehr in Zukunft aussehen kann", sagt der Ingenieur. 2017 könnte die HY4 durchaus auf mehreren deutschen Flughäfen zu sehen sein. Die Entwickler denken beispielsweise an Demoflüge von Norddeutschland nach Süddeutschland oder zwischen den Landeshauptstädten. In diesem Winter steht das Flugzeug allerdings demontiert in einem gesicherten Hangar. "Wir haben die Brennstoffzelle ausgebaut und optimieren das elektrische System", erklärt Kallo.

Die Visionen der Forscher umfassen zwei Themen. Zum einen ist da das Potenzial des elektrischen Fliegens generell, und zum anderen der Beitrag elektrischer Flugzeuge zum Regionalverkehr der Zukunft.

Derzeit glaubt kein Forscher ernsthaft, einen Transatlantikflug mit 100 Passagieren elektrisch bewältigen zu können. In den nächsten 30 Jahren seien aber durchaus Flugzeuge mit 40 bis 80 Passagieren denkbar, sagt DLR-Ingenieur André Thess. Die Forscher spielen dabei die ganze Klaviatur der verschiedenen Systeme durch, die wir auch vom Auto kennen: rein -elektrisch, E-Motor mit Brennstoffzelle und Wasserstofftank sowie andere Hybridvarianten mit Batterie und Verbrennungsmotor.

Ein Treiber ist der Klimaschutz. Denn die Nachfrage nach Flugverbindungen wird auch in Zukunft steigen. "Klimaschutz heißt nicht Verzicht auf Flüge", stellt Thess klar. "Wir beim DLR treten fürs Fliegen mit Batterie, Brennstoffzelle oder auch synthetischen Kraftstoffen ein." Für längere Strecken ist der Elektroantrieb dabei nicht gedacht. "Wir werden nicht die Langstrecke bedienen können", sagt Kallo. Von Stuttgart nach Verona, von Saarbrücken nach Barcelona wäre jedoch eine Möglichkeit, erklären die Entwickler .

In Deutschland gibt es rund 60 regionale und internationale Flughäfen. Ein Konzept sieht vor, die Verbindungen zu und von ihnen im Regionalverkehr mit Elektroflugzeugen zu bedienen. Und auch zwischen den Regionalflughäfen können elektrische Linien verkehren.

Der scheidende Chef des Stuttgarter Flughafens, Georg Fundel, sieht das elektrische Fliegen so: Zuerst braucht man Entwickler und Pioniere, die nicht auf die Kosten schauen. Zweiter Schritt wäre dann eine Serienproduktion kleiner elektrischer Flugzeuge . Und in zehn Jahren könnten die elektrischen Flugzeuge auf Strecken von 500 bis 1000 Kilometern schon zehn bis 15 Prozent der Flüge bedienen. "Das wäre perfekt", sagt Georg Fundel. Er weist allerdings auch darauf hin, dass ein elektrisches Flugzeug langsamer als eines mit Verbrennungsmotor fliegt. Dadurch sinke die den Passagieren zumutbare Reichweite. Bei etwa 1000 Kilometern wäre dann Schluss.

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Auf einen Blick Das Elektroflugzeug HY4 hat eine Spannweite von gut 21 Metern bei einer Länge von 7,40 Metern. Das Maximalgewicht der Maschine beträgt 1,5 Tonnen, die Brennstoffzelle mit dem Treibstoffspeicher wiegt 400 Kilogramm. Mit seinem Elektromotor, der 80 Kilowatt leistet, erreicht HY4 eine Höchstgeschwindigkeit von 200 km/h. Die Reichweite beträgt je nach Beladung bis zu 1500 Kilometer.

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