Straßenbeleuchtung lässt Vögel früher singen

Seewiesen · Unsere nachts hell erleuchteten Städte bringen manches Vogelmännchen dazu, sein Morgenlied viel zu früh anzustimmen. Besonders die Frühaufsteher unter den Vögeln scheint das Kunstlicht stärker zu beeinflussen. Ob das Konsequenzen für den Erfolg bei den Weibchen und damit für die Zahl der Nachkommen hat, ist noch nicht geklärt.

 Das Rotkehlchen gehört zu den Vogelarten, deren Lebensrhythmus von der nächtlichen Beleuchtung besonders stark beeinflusst wird. Foto: Nabu

Das Rotkehlchen gehört zu den Vogelarten, deren Lebensrhythmus von der nächtlichen Beleuchtung besonders stark beeinflusst wird. Foto: Nabu

Foto: Nabu

Straßenlaternen, Ampeln und hell erleuchtete Wohnungen machen in vielen Städten die Nacht zum Tag. Das bringt die innere Uhr vieler Singvögel gewaltig durcheinander. Biologen des Max-Planck-Instituts für Ornithologie in Seewiesen haben jetzt herausgefunden, dass das nächtliche Kunstlicht dafür verantwortlich ist, dass verschiedene Singvogelarten immer früher in der Saison zu singen beginnen. Und nicht nur das: Im Winter beobachteten die Wissenschaftler, dass eigentlich tagaktive Vögel in Städten nachts auf Nahrungssuche gingen. Amseln begannen unter dem Einfluss von Kunstlicht bis zu einem Monat früher mit dem Nestbau.

Für ihre Untersuchungen belauschten die Forscher von Januar bis April mit Hilfe von Mikrofonen täglich Rotkehlchen, Amseln, Singdrosseln, Blaumeisen , Kohlmeisen und Buchfinken an sechs dunklen Standorten sowie an sechs Orten, die nachts von Straßenlaternen beleuchtet wurden.

Alle Arten unterscheiden sich den Wissenschaftlern zufolge grundsätzlich in ihrem saiso nalen Gesang: Blau- und Kohlmeise singen danach generell als Erste im Jahr, manchmal sei ihr Gesang sogar schon im Winter zu hören. Buchfink und Amsel beginnen ungefähr ab Mitte Februar zu zwitschern, am Ende des Monats kommt dann das Rotkehlchen hinzu. Schlusslicht bildet die Singdrossel, sie kehrt nicht vor Anfang März aus den Wintergebieten zurück, so die Biologen.

"Interessanterweise hatte das künstliche Nachtlicht den größten Effekt auf das Rotkehlchen und die Amsel, die beide natürlicherweise lange vor Sonnenaufgang singen und so vom künstlichen Licht wohl am stärksten beeinflusst werden", sagt Arnaud Da Silva vom Max-Planck-Institut. Kohl-meisen und tendenziell auch Blaumeisen begannen mit ihren Gesängen unter Lichteinfluss ebenfalls früher in der Saison. Nur die Singdrossel startete ihr Zwitschern erst später im Jahr, berichtet Da Silva. "Möglicherweise, weil die Vögel diese Territorien zunächst mieden." Einzig der Buchfink zeigte sich unbeeindruckt von der nächtlichen Lichtverschmutzung. Allen Arten gemein aber war, dass sie bei ihrem Morgen- und Abendgesang gleichermaßen vom Wetter beeinflusst wurden: An regnerischen und für die Jahreszeit zu kalten Tagen waren weniger Gesänge zu hören, so die Forscher.

Weitere Studien geplant

Da die morgendlichen und abendlichen Gesänge sowohl der Partnersuche als auch der Verteidigung des eigenen Territoriums dienen, könnte die Verschiebung des Gesangs Konsequenzen für die Tiere und ihre Nachkommen haben, erklären die Wissenschaftler. So wäre es denkbar, dass die Vögel, wenn sie früher singen, auch früher einen Partner finden, somit früher brüten und dadurch mehr Junge bekommen. Das ist aber nur ein mögliches Szenario. Die Verschiebung könnte auch nachteilige Folgen für die Tiere haben - etwa wenn um diese Jahreszeit für den Nachwuchs noch nicht genügend Futter zur Verfügung stünde. Genau das wollen die Wissenschaftler jetzt genauer untersuchen. Nicht zuletzt, um die Tiere künftig vor allzu viel Lichtverschmutzung schützen zu können.

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