Turbo fürs Smartphone

Berlin · Die nächste Mobilfunkgeneration soll mindestens so schnell wie kabelgebundene Verbindungen sein. Vor allem aber soll das sogenannte 5G-Internet so gestaltet werden, dass künftig Myriaden von Sensoren in Häusern, Autos und Fabriken problemlos ins große Datennetz eingebunden werden können. Das „Internet der Dinge“ wirft seine Schatten voraus.

 Im Internet der Zukunft sollen auch Autos miteinander kommunizieren können. Grafik: Audi

Im Internet der Zukunft sollen auch Autos miteinander kommunizieren können. Grafik: Audi

LTE heißt der Standard, mit dem Anbieter wie Telekom und Vodafone in Deutschland derzeit den Mobilfunk auf Touren bringen wollen. Doch kaum eingeführt, zeichnen sich auch schon dessen Grenzen ab. "5G" ist der interne Code des nächsten Ausbauschritts des Mobilfunks. Die fünfte Mobilfunkgeneration soll nach 2020 selbst kabelgebundene Internetverbindungen übertrumpfen. Die Rede ist von Datenraten von einem Gigabit pro Sekunde als unterste Grenze, also 1000 Millionen Bits pro Sekunde. "Jeder Nutzer in einer Funkzelle soll dann garantiert 50 Megabit pro Sekunde erhalten", sagt Bruno Jacobfeuerborn, Technik-Chef von Telekom Deutschland.

Doch den Smartphone-Kunden haben die Techniker gar nicht so sehr im Visier. Das Internet der Dinge wirft seinen Schatten voraus. Millionen Sensoren in Fabriken , in Autos, Kühlschränken und Heizungsanlagen, in Fahrbahndecken und Brücken sollen Daten ins Internet , in die Cloud, schieben. Und dies geschieht über Funk. Die letzten Meter werden dabei drahtlos überbrückt, sagt Hans-Peter Mayer vom Netzausrüster Alcatel-Lucent in Zuffenhausen.

Einem Strategiepapier von Alcatel zufolge rechnet die Ausrüsterindustrie mit einer Gerätedichte von bis zu 200 000 Einheiten pro Quadratkilometer. "Die senden natürlich nicht alle gleichzeitig", sagt Mayer. Oft melden sich die Sensoren nur ein paar Mal am Tag und schieben Messwerte weiter. Oder sie senden nur ein einzelnes Bit. In einem etwas bemüht wirkenden Anwendungsszenario von Alcatel sendet ein Sensor zum Beispiel einem Reisenden die Nachricht ins Auto , das zu Hause das Bügeleisen wirklich ausgeschaltet ist.

Kurioserweise ist die aktuelle Mobilfunkgeneration 4G/LTE nicht auf den sporadisch vor sich hinsendenden Sensor vorbereitet. Johannes Koppenborg, Physiker in den Bell Labs von Alcatel in Zuffenhausen, demonstriert das mit einem Experiment auf seinem Schreibtisch. Dort hat er eine Basisstation aufgebaut, ein simulierter Nutzer streamt mit vielen Megabit pro Sekunde ein Video aufs TV-Gerät. Dann bucht sich ein Sensor für die Übertragung nur eines Bits ins Netz ein und das stört die Videoübertragung gewaltig: Zu sehen sind nur noch Flimmern und Rauschen.

Vermeiden ließe sich das nur durch einen höheren Sicherheitsabstand im Frequenzspektrum des Netzes. Dadurch würden aber die Frequenzbänder, die Mobilfunkbetreiber über teure Auktionen ersteigern, weniger effizient genutzt. Forscher wie Koppenborg tüfteln daher an neuen Übertragungsverfahren, damit sich viele Nutzer mit unterschiedlichsten Anforderungen nicht stören.

Für den Telekom-Mann Jacobfeuerborn spielt neben der hohen Übertragungsrate die Reaktionsgeschwindigkeit des Netzes eine große Rolle. Die sogenannte Latenzzeit beschreibt, wie schnell eine Webseite abgerufen werden kann und ob Maschinen mit anderen Maschinen nahtlos kommunizieren können. Bei 5G soll diese Latenzzeit für einige Anwendungen bei einer Millisekunde liegen. Das ist weit kürzer als die Reaktionsgeschwindigkeit des Menschen. "Ein Mensch merkt eine Verzögerung schon gar nicht mehr", erklärt der Technik-Chef der Telekom.

Die Telekom als Teil einer Industrieallianz hat 25 Anwendungsbeispiele herausgearbeitet, wie reaktionsschnelle Netze Kommunikation und Technik voranbringen könnten. Dazu gehört das autonome Fahren. "An der Kreuzung müssen sich die Autos abstimmen, wer die Vorfahrt hat", erklärt Jacobfeuerborn. Das könne dann übers Mobilfunknetz koordiniert werden. Ein anderes Beispiel wären Fernoperationen, bei denen ein Spezialist in einer anderen Stadt über einen Roboter das Skalpell führt.

Bei diesen Anforderungen stößt aber selbst die lichtschnelle Verbreitung der Information an ihre Grenze: In einer tausendstel Sekunde (Millisekunde) legt Licht, etwa in einer Glasfaserstrecke, 300 Kilometer zurück. Während eher träge Dienste wie Whatsapp weiterhin mit Servern in den USA auskommen, braucht eine zeitkritische Anwendung, wie beim automatischen Fahren, eine ganz andere Internet-Infrastruktur. "Die Architektur der Netze wird sich vollkommen ändern", sagt Jacobfeuerborn. Der Weg zum nächsten Server dürfe nicht weiter als 20 bis 30 Kilometer sein, sagt Hans-Peter Mayer von Alcatel. Smartphones sollen Daten von mehreren Funkmasten beziehen. Das Netz wird intelligent und handelt mit dem Telefon Frequenzen und Übertragungsbandbreiten aus. Schon jetzt senden Basisstationen über zwei Antennen , das Smartphone empfängt ebenfalls auf zweien. Denn eine Verdoppelung der Antennenzahl entspricht in etwa auch einer Verdoppelung der Datenübertragung.

In einem Test der Telekom in Alzey haben Kollegen von Jacobfeuerborn eine Basisstation auf dem Dach auf vier Antennenteile und ein Smartphone ebenfalls auf vier Antennen aufgerüstet. Damit konnten die Forscher eine Übertragungsrate von 560 Megabit pro Sekunde realisieren. Bei 5G soll die Antennenzahl nochmals beträchtlich steigen, im Smartphone auf vier bis zehn, bei der Basisstation auf bis zu 1000.

Stephan ten Brink, Professor für Nachrichtenübertragung an der Universität Stuttgart , forscht an diesen Vielfachantennen. Er stellt sich vor, dass dereinst entlang der Hausfassaden ganze Antennenbänder gezogen werden. Ten Brink sieht mehrere Vorteile: Elektrosmog werde reduziert, da die Antennenleistung auf eine größere Abstrahlfläche verteilt ist. Der hässliche Antennenwald verschwinde von den Dächern. Außerdem könnten mit diesem Verfahren einzelne Nutzer direkt angefunkt werden, anstatt wie bisher Funksignale überall gleichmäßig abzustrahlen. Stephan ten Brink hat schließlich die Hoffnung, dass auch eine spektakuläre Funktion mit in den 5G-Standard aufgenommen wird, das sogenannte Multi-Hop-Prinzip oder Peer-to-Peer-Netze. Darunter verstehen Forscher den direkten Datenaustausch zwischen Handys. Technisch sei das im Prinzip einfach zu lösen, erklärt ten Brink. Ein Smartphone ist Sender und Empfänger zugleich und könnte auch ohne Basisstationen und Netz mit anderen Geräten Daten austauschen. Die Reichweite eines Smartphone-Senders beträgt etwa zwei Kilometer. Die Wahrscheinlichkeit ist damit groß, dass sich in diesem Radius ein anderes Smartphone befindet. Lässt sich darüber eine Relais-Kette aufbauen, könnte sich so zum Beispiel ein verunglückter Bergwanderer in einer unzugänglichen Region bemerkbar machen und um Hilfe rufen.

Zum Thema:

Auf einen BlickDer Mobilfunkstandard 5G soll die Datenübertragungsrate auf über ein Gigabit pro Sekunde steigern. Die Reaktionszeit im Netz (Latenzzeit) ist mit einer Millisekunde zehnmal schneller, die Nutzerdichte hundertfach höher als bisher. Neben dem Smartphone-Nutzer, der höhere Datenraten erhält, zielt 5G auf die Vernetzung von Sensoren und das automatische Fahren.

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