Wut und Empörung vor der Staatskanzlei

Saarbrücken · Rund 1200 Studenten protestierten am Montag vor der Staatskanzlei gegen die Sparmaßnahmen an der Saar-Uni. Die Ministerpräsidentin verkündete der aufgebrachten Menge schließlich nichts Neues: Mehr Geld werde es vom Land trotz aller Proteste nicht geben.

 Ohrenbetäubenden Lärm veranstalteten gestern über 1000 Demonstranten vor der Saarbrücker Staatskanzlei. Sie protestierten gegen Sparpläne für die Universität des Saarlandes. Foto: Dietze

Ohrenbetäubenden Lärm veranstalteten gestern über 1000 Demonstranten vor der Saarbrücker Staatskanzlei. Sie protestierten gegen Sparpläne für die Universität des Saarlandes. Foto: Dietze

Foto: Dietze

"Ihr macht das Saarland kaputt!" - "Wir sind hier, wir sind laut, weil man uns die Bildung klaut." So lauteten gestern die Schlachtrufe der 1200 Demonstranten vor der Saarbrücker Staatskanzlei. Laut war die aufgebrachte, mit Trillerpfeifen, Trommeln und Ratschen bewaffnete Menge tatsächlich. Auf dem Platz vor der Ludwigskirche herrschte fast zwei Stunden lang ohrenbetäubender Lärm. Der Allgemeine Studierendenausschuss (Asta) der Saar-Universität hatte zu der Demonstration gegen das Sparprogramm für die Hochschule aufgerufen.

In der Staatskanzlei tagte zeitgleich die Ministerpräsidentin mit dem Senat der Hochschule über das vom Unipräsidium vorgelegte Sparkonzept. Die Gespräche liefen um die konkreten Auswirkungen des Papiers für die Fakultäten .

"Rauskommen!", "Annegret!" und "Feigling!" skandierten die Demonstranten draußen. "Wo ist unsere Wissenschaftsministerin?" stand auf ihren Plakaten, und "Bildung krepiert, weil Dummheit regiert".

Seit ihrem Amtsantritt habe sich die Wissenschaftsministerin völlig dem Dialog mit den Studenten entzogen, so der ehemalige Asta-Vorsitzende Marc Strauch. "Sie scheut uns, die Betroffenen, wie der Teufel das Weihwasser." "Was für ein Dialog ist das, wenn der Unipräsident diese Pläne im Alleingang mit dem Land macht, ohne uns zu Wort kommen zu lassen?", fragte Samira Scheibner vom Asta. Neben den Studenten nahmen auch die Linkspartei, die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft und zahlreiche Professoren und Mitarbeiter der Saar-Uni an den Protesten teil. "Wir haben keinen Fürsprecher", klagte der Professor Gerhard Wenz. "Unsere Wissenschaftministerin macht lieber Bundespolitik."
Bafög als "Stellschraube"

Nach einer Stunde trat die Wissenschaftsministerin schließlich unter lautem Pfeifen und Buh-Rufen vor die aufgebrachte Menge. Was sie verkündete, war für die meisten Demonstranten nichts Neues: Am Globalhaushalt für die Uni werde sich nichts ändern, so Annegret Kramp-Karrenbauer, da werde kein Geld mehr draufgelegt. Einzig Hochschulpakt- und Bafögmittel seien noch "Stellschrauben" für die Hochschulentwicklung. Die letzten Worte der Ministerpräsidentin gingen in Buh-Rufen und Pfiffen unter.

"Ich möchte nur, dass die Landesregierung endlich zugibt, dass es ihre Entscheidung ist, bei uns zu sparen", sagte die Asta-Vorsitzende Charlotte Dahlem anschließend. "Sie hätte die Möglichkeit gehabt, andere Prioritäten zu setzen."

In einem offenen Brief haben auch die Prodekane der drei Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Fakultäten der Saar-Uni verbal schweres Geschütz aufgefahren. Sie geißeln Eingriffe der Landespolitik auf dem Campus bis auf die Ebene einzelner Professuren - "Empfehlungen des Wissenschaftsrats werden durch Einflussnahme von Politik-Lobbyisten konterkariert" - und zeichnen ein düsteres Bild der Konsequenzen des Sparprogramms: Es werde dazu führen, "dass nahezu alle jungen Wissenschaftler, die ... die Forschung zentral tragen und mitgestalten, entlassen werden müssen", schreiben die Professoren Mark Groves (Fakultät 6), Rainer Birringer (Fakultät 7) und Guido Kickelbick (Fakultät 8).
In der Existenz bedroht

Die sich jetzt abzeichnenden Entscheidungen seien katastrophal und zerstörten das regionale Wissenschaftssystem. Eine Ursache sehen sie darin, dass die eigenständige Systemsteuerung der Universität durch "wissenschaftsfeindlichen Politik-Lobbyismus" ausgehebelt worden sei.

In einem direkt die Staatskanzlei gerichteten Schreiben warnt über ein Dutzend Chemie-Professoren der Saar-Uni, dass grundlegende Studiengänge des Schwerpunkts Nano-Bio-Medizin der Saar-Uni geschlossen werden müssen, wenn das Sparkonzept des Uni-Präsidiums umgesetzt werden sollte.

Die Fachrichtungen Chemie, Mathematik und Physik seien "teilweise in ihrer Existenz bedroht". Die Saar-Uni drohe, "zu einer konzept- und forschungsfreien Bildungsanstalt" zu werden. "Kein anderer Teil der saarländischen Infrastruktur wird … durch die Einhaltung der Schuldenbremse derart in Mitleidenschaft gezogen werden."

"Das ist ein Hilfeschrei"


Dekane der Saar-Uni bezeichnen den Sparplan des Unipräsidiums als "unbrauchbar" und "absurd"

Die vom Präsidium vorgesehene Sparlast ist nicht zu stemmen, erklären die Dekane der Philosophischen Fakultäten . Der Dekan der Rechts- und Wirtschaftswissenschaften will nun ein eigenes Konzept der Fakultäten auf den Weg bringen.


Das Sparkonzept des Uni-Präsidiums ist nicht umsetzbar, erklären die Dekane der Philosophischen Fakultäten I und III der Saar-Uni. Da 90 Prozent der Kosten an ihren Fakultäten Personalkosten seien, könne man hier eigentlich nur durch Entlassungen sparen, so der Dekan der Philosophischen Fakultät III, Professor Roland Brünken. "Weil das Land betriebsbedingte Kündigungen ausschließt, werden wissenschaftliche Mitarbeiter und Hilfskräfte mit befristeten Verträgen zu den Opfern des Konzepts." Bei seiner Umsetzung wären allein an seiner Fakultät 50 bis 60 Wissenschaftler betroffen, rechnet Brünken.

"Doch selbst wenn ich die alle entlasse, bringt dies nur die Hälfte des geforderten Sparbeitrags", so Brünken. Dieser sei daher nicht zu stemmen. "Dieses Konzept ist absurd. Das ist ein Hilfeschrei", so Brünken. Das Papier sei Ausdruck dessen, was passieren würde, wenn die vom Land auferlegte Sparlast tatsächlich umgesetzt werden muss. "Insofern sehe ich es durchaus als positives Signal." Es führe der Politik das konkrete Spar-Szenario vor Augen. Die Konsequenzen für die Saar-Uni seien ein dramatischer Rückbau an Studienplätzen, der Verlust von hunderten hochqualifizierter Arbeitsplätze und ein Einbruch der Forschungsleistung, so Brünken. "Das wird auch die Leuchttürme der Uni beschädigen", warnt die Dekanin der Philosophischen Fakultät I, Professor Brigitte Kasten. Mit den überzogenen Sparquoten werde die Zukunft der Uni als Ganzes auf Spiel gesetzt. "Anstatt die Fächer zu schließen, lässt man sie verhungern", so Brünken. Sich selbst und vielen Kollegen bescheinigt er einen "enormen Ermüdungsprozess" angesichts der seit zwei Jahren andauernden Spardebatte. "Wir wurden über die Klippe in den Abgrund gestoßen und befinden uns im freien Fall", so Kasten. Sie habe die Abschaffung der Studiengebühren für falsch gehalten.

Bei einer Umsetzung dieser Sparpläne müssten sämtliche Professuren seiner Fakultät auf Normausstattung zurückgefahren werden, so Brünken. Damit würde in Berufungsvereinbarungen eingegriffen, "ein Tabubruch", so Brünken: "Akademisch ist die Uni dann ruiniert."

"Wir sind nicht bereit, die Qualität der Lehre so herunterzufahren", sagt Kasten. "Wenn wir das Personal nicht mehr haben, dann wird es keine Lehrerbildung mehr im Saarland geben", so Brünken. "Persönlich enttäuscht" sei er vom Kultusministerium. "Die fühlen sich offenbar nicht verantwortlich."

Hoffnung setzen beide Dekane noch in den Hochschulpakt . Sie warnen davor, zu diesem Zeitpunkt einen radikalen Schnitt zu machen. "Fachrichtungen, die jetzt wegfallen, wird man nicht mehr zum Leben erwecken, auch wenn die Mittel wieder da sind", so Kasten.

Professor Stephan Weth, Dekan der rechts- und Wirtschaftswissenschaften, bedauert, "dass mancher Kollege sich in Resignation zurückzieht." Das "feudale Vorgehen nach Gutsherrenart" des Unipräsidiums hält er für verfassungswidrig. Er will, dass die Fakultäten nun ihrerseits ein Konzept vorlegen, wie der Sparbeitrag "sinnvoller umzusetzen" sei. "Das Präsidium hat seine Chance gehabt. Jetzt gehört uns eine Chance", so Weth.

Dem Konzept des Präsidiums bescheinigt er "sowohl konzeptuell als auch inhaltlich grobe Fehler". Es "zäume das Pferd von hinten auf" indem es mit "rein prognostischen Zahlen" für das Jahr 2020 rechne. Die Sparquoten des Papiers seien zudem schlichtweg falsch. Durch die vorgesehenen zusätzlichen Sparmaßnahmen müssten noch mehr Lehrstühle gestrichen werden, rechnet Weth. "Für die Wirtschaftswissenschaften komme ich so auf eine Sparquote von 50 Prozent."

Wichtige Rahmenbedingungen, etwa welche Auswirkungen die Maßnahmen auf Studierendenzahlen und Hochschulpaktmittel haben, ließe das Papier völlig außer Acht.

Meinung:
Sparpaket unterm Weihnachtsbaum

 Die Professoren Brigitte Kasten und Roland Brünken halten die Sparpläne des Unipräsidiums für „absurd". Foto: Lorenz

Die Professoren Brigitte Kasten und Roland Brünken halten die Sparpläne des Unipräsidiums für „absurd". Foto: Lorenz

Foto: Lorenz

Von SZ-Redakteur Peter Bylda

Fröhliche Weihnachten? Von wegen. Die Saar-Uni erlebt einen alles andere als harmonischen Advent. 2014 liegt unter dem Weihnachtsbaum auf dem Campus ein einziges Paket - das Sparpaket des Präsidiums. Und fast alle, die hineingeschaut haben, wandten sich mit Schaudern ab.

Der Zorn in den Fakultäten ist so groß, weil das Sparpapier drei Zielen gleichzeitig zu folgen versucht - und die Hochschule darüber zu zerreißen droht. Weil die Uni keinen Inflationsausgleich erhält, muss sie sparen. Trotzdem sollen sowohl Forschungsschwerpunkte gestärkt als auch auf Druck der Landesregierung die meisten Studiengänge erhalten werden. Doch das alles zugleich ist unmöglich. Und deshalb bricht nun von überall der Protest über das Präsidium herein.

Fest steht: Die Saar-Uni wird künftig nicht mehr die Mittel haben, ihr heutiges wissenschaftliches Programm durchzuhalten. Damit kommen Uni-Leitung und Wissenschaftsministerium um klare Antworten zum Beispiel auf diese Frage nicht herum: Was soll die Universität des Saarlands künftig sein? Landeskinder-Uni oder Exzellenz-Hochschule? Beide Funktionen gleichzeitig kann sie nicht mehr erfüllen.

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