Hohes Wachstum auf niedrigem Niveau

Saarbrücken · Saarbrücker Forscher haben die Akzeptanz von fairem Handel in Deutschland untersucht. Angebot und Umsätze haben in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen. Insgesamt bleiben fair gehandelte Waren aber Nischenprodukte.

 Für eine bessere Welt: Der Soziologe Stefan Silvestrini hat untersucht, ob die Deutschen sich für fairen Handel interessieren. Foto: Iris Maurer

Für eine bessere Welt: Der Soziologe Stefan Silvestrini hat untersucht, ob die Deutschen sich für fairen Handel interessieren. Foto: Iris Maurer

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Als Donald Trump zu Beginn seiner Präsidentschaft ankündigte, das Nordamerikanische Freihandelsabkommen Nafta neu verhandeln zu wollen, bekundete er die Absicht, ein weiteres "F" in dessen Namen einzufügen: F für fair. Trump findet, dass viele Länder - nicht zuletzt Deutschland - sich auf Kosten der USA bereichern. Mit dieser Sicht der Dinge und ihrer Auslegung des Begriffs "fair" stehen Trump und seine Anhänger ziemlich alleine da. Das Streben, dass es beim Welthandel gerechter zugehen soll, zielt gemeinhin darauf ab, die Bedingungen in den produzierenden Ländern, die meist Entwicklungsländer sind, zu verbessern.

Mindestpreise und Prämien sollen dafür sorgen, dass Bauern und Handwerker von ihrer Hände Arbeit auch leben können. Doch nicht nur wirtschaftliche Faktoren sind Teil eines fairen Handels, erklärt der Soziologe Stefan Silvestrini vom Saarbrücker Centrum für Evaluation (Ceval). Auch soziale Standards wie der Verzicht auf Kinderarbeit und Rücksicht auf die Umwelt, etwa durch die Absage an genmanipulierte Lebensmittel, gehörten dazu.

Silvestrini hat mit seinen Kollegen vom Ceval eine Studie angefertigt, die Akzeptanz und Entwicklung von fairem Handel in Deutschland erforscht. Bisherige Untersuchungen haben sich auf die Effekte in den Produzentenländern konzentriert, so Silvestrini. Der Ansatz der Saarbrücker Forscher verleihe ihrer Arbeit somit den Charakter einer Pilotstudie. Zur Eröffnung der Grünen Woche im Januar wurde sie an Bundesentwicklungsminister Gerd Müller übergeben.

Die Auftraggeber - dazu gehören etwa der Verein Transfair, Misereor oder Brot für die Welt - wollten wissen, wie die gesellschaftliche Wirkung von fairem Handel hierzulande ist, und welche Trends es gibt. "Eine zentrale Entwicklung ist, dass das Phänomen im Mainstream angekommen ist", fasst Silvestrini zusammen. "Man kann in keinen Supermarkt gehen, ohne fair gehandelte Produkte zu sehen."

Auch die Umsätze seien stark gestiegen. Innerhalb von zehn Jahren haben sie sich laut der Studie von 121 Millionen auf über eine Milliarde mehr als verachtfacht. Das klingt zwar beeindruckend, wird aber relativiert, wenn man den Gesamtumsatz im Lebensmittelhandel betrachtet. Dieser lag im Jahr 2015 bei 170 Milliarden Euro. Damit liegt der Marktanteil fair gehandelter Produkte bei nicht einmal einem Prozent.

Dabei interessieren sich der Studie zufolge immer mehr Menschen für fairen Handel. Der Anteil derjenigen, die angaben, fair gehandelte Produkte zu kaufen, habe sich im Untersuchungszeitraum von 29 Prozent (2001) auf 61 Prozent (2016) gesteigert, schreiben die Wissenschaftler. Angesichts der geringen Umsatzzahlen gibt es also eine Diskrepanz zwischen der Selbstauskunft der befragten Personen und ihrem tatsächlichen Einkaufsverhalten. Das zeigt sich auch an einer anderen Zahl: 2014 gaben deutsche Verbraucher über das ganze Jahr verteilt gerade einmal 13 Euro pro Person für Lebensmittel und Handwerksprodukte aus fairem Handel aus, so die Studie.

Diese Zahlen weisen auch auf ein methodisches Problem hin: Das wirkliche Kaufverhalten der Menschen an der Supermarkt-Theke lässt sich nicht erfassen. Die Forscher sind auf die Selbstaussagen der Studienteilnehmer angewiesen. Dabei könnten die Befragten eher Antworten geben, die "sozial erwünscht" seien, so Silvestrini. Die Steigerung der Umsatzzahlen zeige aber, dass es sich nicht bloß um Absichtsbekundungen handele.

Ein Vorwurf, der häufig gemacht wird: Fairer Handel ist etwas für Besserverdienende, die mit ein paar Euro mehr ihr Gewissen beruhigen wollen. Silvestrini kann das so nicht bestätigen. "Je höher das Einkommen, desto größer die Bereitschaft - das stimmt. Aber der Unterschied zwischen den Gehaltsgruppen ist bei weitem nicht so groß, wie wir erwartet hatten."

Dass Engagement für fairen Handel nicht nur vom Geldbeutel abhängt, zeigt nicht zuletzt die Stadt Saarbrücken. 2009 wurde sie zur ersten deutschen Fair-Trade-Stadt ernannt. "Das ist schon bemerkenswert", sagt Silvestrini. "Schließlich gibt es hierzulande Städte, die deutlich bessere finanzielle Voraussetzungen haben."

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