Wieder Ärger bei Ergo

Düsseldorf. Klartext hat die Ergo-Gruppe versprochen bei ihrer Initiative gegen "Versicherungs-Chinesisch". Ergo-Chef Torsten Oletzky ist nun selbst gefragt, Klartext zu reden. Erst der Sex-Skandal, dann fehlerhafte Riester-Verträge - das Unternehmen kommt nicht zur Ruhe

Düsseldorf. Klartext hat die Ergo-Gruppe versprochen bei ihrer Initiative gegen "Versicherungs-Chinesisch". Ergo-Chef Torsten Oletzky ist nun selbst gefragt, Klartext zu reden. Erst der Sex-Skandal, dann fehlerhafte Riester-Verträge - das Unternehmen kommt nicht zur Ruhe. Daneben gerät nun auch die Beratung zahlreicher Kunden in die Kritik: Laut "Financial Times Deutschland" sollen Ergo-Vertreter 2009 Kunden mit beitragsfrei gestellten Lebensversicherungen geraten haben, Verträge zu kündigen und die ausgezahlten Summen in spezielle Unfallpolicen (Unfallversicherung mit Beitragsrückgewähr) zu stecken.Verbraucherschützer vermuten, dass es um Abschlussprovisionen ging. "Einen Sinn für den Kunden kann man nicht nachvollziehen", sagte Lars Gatschke vom Verbraucherzentrale Bundesverband. Ergo bestreitet, dass es eine systematische Aktion war. Der Vorgang sei aufgearbeitet, Belege für Fehler lägen nicht vor, sagte ein Sprecher.

Beobachter sehen Oletzkys Stuhl ins Wanken geraten. Der Ergo-Mutterkonzern, die Munich Re, steht dagegen zu ihrem Manager. Eine endlose Debatte kann sich aber auch der weltgrößte Rückversicherer nicht leisten, wird vermutet.

"Der gute Ruf der Ergo hat in den letzten Wochen gelitten. Wo Vorwürfe zu Recht erhoben werden, sprechen wir Klartext: Fehler offen zugeben und geeignete Maßnahmen ergreifen, damit sich solche Fehler nicht mehr wiederholen", kündigte der Ergo-Chef in Zusammenhang mit den fehlerhaften Riester-Verträgen an. In dem Formular, das 2005 von der Vertriebsorganisation HMI verwendet wurde, ist laut Ergo irrtümlich ein zu niedriger Kostensatz genannt worden. Das Düsseldorfer Unternehmen will jetzt für alle etwa 14 000 betroffenen Kunden die Verträge neu berechnen. Diese würden damit bessergestellt als die Kunden mit einem fehlerfreien Formular mit höherem Kostensatz. Alles klar, Fall erledigt? Nein, der Vorgang wirft eher neue Fragen auf. Ergo räumte ein, dass der Fehler im Riester-Formular schon im Oktober 2005 der Antragsabteilung bekannt wurde. Aber warum geht man erst jetzt auf Kunden zu? Der Bund der Versicherten ist erschüttert. Ein Sprecher vermutete, dass sich Ergo deshalb so lange nicht gerührt habe, weil es um viel Geld gehe. Das Unternehmen sprach von einem einstelligen Millionenbetrag, den der Fehler kosten werde.

Der Ex-Staatsanwalt und Strafrechtsexperte Volker Hoffmann sieht noch eine andere Dimension: "Es ist eine Sache, einen Rechenfehler zu übersehen. Es ist eine ganz andere Sache, einen Fehler zu bemerken, aber nichts zu tun, um das Problem aufzuklären und damit weiter von dem Fehler zu profitieren. Strafrechtlich betrachtet bewegt sich die Ergo hier im Bereich des vorsätzlichen fortgesetzten Betrugs", sagte Hoffmann dem "Handelsblatt".

Die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) erwartet ein hartes Durchgreifen. "Es kann nicht sein, dass jeden Tag ein neuer Skandal auf den Tisch kommt", sagte ein DSW-Sprecher. Das versetze mittlerweile die gesamte Versicherungsbranche in Unruhe.

"Es kann nicht sein, dass jeden Tag ein neuer Skandal auf den Tisch kommt."

Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz

Meinung

Mehr Misstrauen

Von SZ-RedakteurVolker Meyer zu Tittingdorf

Die Skandale bei Ergo schlagen hohe Wellen. Die Versicherungsbranche sorgt sich um ihren Ruf - mit Recht. Anlass ist weniger die schmuddelig-unappetitliche Lustreisen-Affäre. Wirklich anstößig sind falsch berechnete Riester-Verträge und mutmaßliche Missstände in der Beratung. Denn es drängen sich heikle Fragen auf: Wie weit sind fehlerhafte Berechnungen und Falschberatungen verbreitet? Schielen Versicherungsberater etwa nur auf die Provision? Der Fall Ergo verstärkt das Misstrauen bei den Verbrauchern. Die Branche muss daher mehr tun, um Glaubwürdigkeit zurückzugewinnen. Schöne Worte wie in der Ergo-Kampagne gegen "Versicherungs-Chinesisch" reichen nicht aus.

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