„Wir müssen länger arbeiten, nicht kürzer“

Der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Eric Schweitzer, hält nichts von den Plänen der großen Koalition zur Rente mit 63 und zum Mindestlohn. Im Gespräch mit unserem Korrespondenten Hagen Strauß erklärt Schweitzer, warum die Deutschen nicht kürzer, sondern länger arbeiten müssen – und warum viele Betriebe unzufrieden mit ihren Azubis sind.

 Eric Schweitzer (48) ist seit März Präsident des Kammerverbandes DIHK. Foto: Dietze

Eric Schweitzer (48) ist seit März Präsident des Kammerverbandes DIHK. Foto: Dietze

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Herr Schweitzer, sind die Belange der Wirtschaft bei Schwarz-Rot in guten Händen?

Eric Schweitzer: Das muss sich noch zeigen. Im Koalitionsvertrag haben Union und SPD jedenfalls einen Schwerpunkt auf Ausgaben im sozialen Bereich gelegt und zu wenig darauf geachtet, wie die zusätzlichen Milliarden erwirtschaftet werden können. Wir als Wirtschaft sehen das mit Sorge.

Sie spielen auf die rentenpolitischen Beschlüsse an. Gehen die Vorhaben zu Lasten der jungen Generation?

Schweitzer: Ja und auf alle Fälle sind die Beschlüsse ein falsches Signal. Nehmen wir nur die Rente mit 63: Sie ist nicht nur teuer, sie vermittelt auch den Eindruck, als ob wir alle wieder früher in Rente gehen könnten. Genau das Gegenteil muss passieren, damit wir den Wohlstand in diesem Land sichern. Bis 2025 scheiden in Deutschland sechs Millionen Arbeitskräfte aus. Wir müssen also länger arbeiten und nicht kürzer.

Glauben Sie, dass die große Koalition zur Finanzierung ihrer Vorhaben Steuererhöhungen tatsächlich zu den Akten gelegt hat?

Schweitzer: Ich gehe davon aus, dass die Union an ihrem zentralen Wahlkampfversprechen festhalten wird. Ich sage aber auch: Kommen die Einnahmen nicht wie geplant, dann dürfen auch nicht die Ausgaben wie geplant kommen.

Die Wirtschaft hat auch vehement Korrekturen bei der Energiewende gefordert. Ist Schwarz-Rot da auf einem guten Weg?

Schweitzer: Wenn wir Industrieland bleiben wollen, benötigen wir wettbewerbsfähige Energiepreise. Das gelingt nicht mit einer planwirtschaftlichen Maschinerie, die mit dem Erneuerbaren Energien Gesetz im nächsten Jahr 24 Milliarden Euro umverteilt. Die Koalition macht bisher nur zaghafte Schritte in die richtige Richtung, indem sie die Förderung von Windkraftanlagen an Land reduzieren will. Die garantierten Preise für den Ökostrom bleiben aber vorerst, eine Heranführung an Marktpreise ist laut Koalitionsvertrag erst ab 2017 vorgesehen. Das reicht uns nicht.

Aber was ist mit den vielen Ausnahmen von der EEG-Umlage, die die privaten Verbraucher mit finanzieren? Ist das nicht auch Planwirtschaft?

Schweitzer: Es ist ein Irrglaube, dass die Ausnahmen von der Umlage - nächstes Jahr fünf Milliarden Euro - sich bei den Unternehmen als Gewinne niederschlagen. Deutsche Firmen stehen im weltweiten Wettbewerb mit Unternehmen, die deutlich weniger für Energie zahlen. Würde man die Erleichterungen streichen, würde dort ein Großteil der Industriearbeitsplätze verloren gehen. Das kann nicht im Sinne der Bundesregierung oder der Europäischen Kommission sein.

Thema Konjunktur: Wird nächstes Jahr ein gutes Jahr?

Schweitzer: Wir rechnen bislang mit 1,7 Prozent Wachstum. Unter normalen Umständen wirkt sich das positiv auf den Arbeitsmarkt aus. Doch die Beschlüsse der großen Koalition zur Einführung eines flächendeckenden, einheitlichen Mindestlohns und den Einschränkungen zum Beispiel bei der Zeitarbeit belasten den Arbeitsmarkt. Da hoffen wir auf Nachbesserungen.

Was bedeutet das für den Lehrstellenmarkt?

Schweitzer: Wir haben derzeit 33 500 freie Ausbildungsplätze und 21 000 unversorgte Bewerber. Den Unternehmen stehen nicht mehr genügend junge Menschen für eine duale Ausbildung zur Verfügung. Verstärkt wird dies durch den Trend zum Studium. Eltern sollten angesichts hoher Abbrecherquoten wissen: Für manche junge Leute ist eine Berufsausbildung die bessere Wahl.

Hat sich denn die Ausbildungsfähigkeit junger Leute verbessert?

Schweitzer: Die Schulabgänger sind in Deutsch und Mathe etwas besser geworden. Das trifft leider nicht auf ihre Sozialkompetenzen wie Teamfähigkeit oder Leistungsfähigkeit zu. Hier hat die Unzufriedenheit der Betriebe mit den Bewerbern sogar noch zugenommen.

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