Der lange Weg zur Top-Adresse

Saarbrücken · Das Saarland macht auf viele Besucher auf den ersten Blick gar keinen oder einen zu schlechten Eindruck. Das beklagt Bernard Sembritzki, Vorsitzender des Arbeitskreises Wirtschaft, eines großen saarländischen Firmen-Netzwerks. Und das müsse sich schnellstens ändern.

 Am Flughafen-Parkhaus wirbt das Land für die Bergbau-Ausstellung „Das Erbe“. Statt Besucher auf Vergangenes hinzuweisen, solle das Land lieber etwas Zukunftsweisendes präsentieren, sagt Bernard Sembritzki, Vorsitzender des Arbeitskreises Wirtschaft. Foto: Oliver Dietze

Am Flughafen-Parkhaus wirbt das Land für die Bergbau-Ausstellung „Das Erbe“. Statt Besucher auf Vergangenes hinzuweisen, solle das Land lieber etwas Zukunftsweisendes präsentieren, sagt Bernard Sembritzki, Vorsitzender des Arbeitskreises Wirtschaft. Foto: Oliver Dietze

Foto: Oliver Dietze

Bernard Sembritzki wundert sich immer wieder, wenn er mit dem Flieger aus Berlin ins Saarland zurückkehrt. In der Ankunftshalle am Flughafen Ensheim trifft er auf Werbung für Spielbank, Lotto und Karlsberg. Doch nirgendwo bekomme ein Fluggast einen Willkommensgruß mit Wissenswertem über das Saarland vermittelt, kritisiert der Vorsitzende des Arbeitskreises Wirtschaft (AKW), dem 500 Firmen und Freiberufler angehören und der sich unter anderem um Standortpolitik kümmert. Selbst am Flughafen-Parkhaus werbe ein Transparent für Vergangenes, die Ausstellung "Das Erbe" in Erinnerung an den Bergbau. Jeden Hinweis auf ein modernes, dynamisches, zukunftsorientiertes Bundesland suche man vergebens, moniert der Saarbrücker Unternehmer, der geschäftsführender Gesellschafter der W+St Personalberatung ist.

Sembritzki fehlt eine Willkommenskultur auch am Saarbrücker Euro-Bahnhof. Keine elektronische Begrüßung mit Infos auf Anzeigetafeln am Gleis, wo ICE und TGV aus Frankfurt und Paris eintreffen. Geschweige denn, dass auf der vierstündigen Fahrt zwischen Frankfurt und Paris ein Reisender Gelegenheit bekomme, etwas über das Saarland zu erfahren. Kein Flyer liegt aus, weder auf Deutsch noch zweisprachig. Selbst die im Bahnhof zum Start der Dachmarken-Kampagne aufgehängten Plakate mit dem Slogan "Großes entsteht immer im Kleinen" sind bis auf eins wieder abgehängt.

Nach Ansicht des Chefs des Arbeitskreises Wirtschaft gibt es einen auffallenden Gegensatz zwischen dem, wie sich das Saarland öffentlich präsentiert, und dem, was das Saarland sein will - ein attraktiver Wirtschaftsstandort und eine Region, in der es sich gut leben lässt. Die auch aus Sicht von Sembritzki sinnvolle Dachmarken-Strategie mit dem neuen Werbeslogan müsse von einer gelebten Wirklichkeit begleitet werden, von einem Gesamtkonzept, das möglichst viele Saarländer aus eigener Überzeugung mittragen und an dem sie mitwirken.

Das setze eindeutige Botschaften voraus, sagt Sembritzki und nennt als Beispiel das Thema Sauberkeit. Müll an Autobahnausfahrten, Unkraut auf Bahnsteigen, zertrümmerte Scheiben und Graffiti-Sprühereien an leer stehenden Fabrikgebäuden - was sollen Neuankömmlinge da denken?

"Sauberkeit hat in Saarbrücken nicht die Priorität Nummer 1", sagt Sembritzki. Dass es anders geht, zeige Luzern in der Schweiz. Dort sei es in einer gemeinsamen Kraftanstrengung der Verwaltung und der Bürger gelungen, die Stadt zur saubersten Adresse in der Schweiz zu machen. Damit könne man überzeugend werben. Auch das Saarland könne unter Federführung der Landesregierung und der Landkreise einen Wettbewerb ins Leben rufen, in dem Orte besonderer Sauberkeit sowie ansprechende Häuserfassaden ausgezeichnet werden.

In Zeiten leerer Kassen müsse versucht werden, möglichst viele Unternehmen und Bürger mit einzubeziehen, fordert Sembritzki. Und dabei müsse man auch unkonventionelle Wege gehen. Zum Beispiel könnten Kreisverkehre an Firmen vermietet werden. Diese dürfen dann dort mit einem Schild für sich werben, kümmerten sich aber im Gegenzug um die Pflege inklusive frischer Blumen. Diese Methode sei auch geeignet zum Erhalt von Spielplätzen.

In der Ansiedlungspolitik müsse sich das Land unabhängiger machen von der Auto- und Stahlindustrie. Als Land mit Bergbautradition solle die Region auf den Schwerpunkt Energie setzen. Mit dem Ziel, Unternehmen und Organisationen anzusiedeln, die sich auf dem Feld der erneuerbaren Energien, dem Energiesparen oder auch der Elektromobilität einen Namen erworben haben. In der Werbung um Ansiedlungen soll überregional bekannte Prominenz helfen, rät Sembritzki. Persönlichkeiten wie die Unternehmer Richard Weber und Wendelin von Boch - oder der St. Wendeler Bürgermeister Klaus Bouillon. Der habe es geschafft, St. Wendel zu einer sogar international beachteten Marke im Sport zu machen. Oder der frühere Fußballmanager von Bayer Leverkusen, Reiner Calmund, der seine Kontakte für seine neue Wahl-Heimat einsetzen könne. Calmund könne mit viel Überzeugungsarbeit helfen, aus den drei Saar-Fußballvereinen in Saarbrücken, Elversberg und Homburg, die in unteren Ligen spielen und als Imageträger ausfallen, einen neuen Verein zu schmieden. Ein Land, das oben mitspielen will, ob im Sport oder anderswo, brauche Mut zu unbequemen Entscheidungen - auf allen Feldern.

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HintergrundDer 1982 gegründete Arbeitskreis Wirtschaft mit seinen inzwischen 500 Mitgliedern kümmert sich um die Verbesserung der Standortbedingungen an der Saar und in der Region Saar-Lor-Lux. Die Mitglieder kommen aus kleinen und mittelständischen Betrieben oder sind Freiberufler. Das Netzwerk pflegt Kontakte zu Entscheidern aus Politik und Wirtschaft und kümmert sich um eine bessere Vernetzung der Firmen. Der AKW beteiligt sich an Messen und organisiert Wirtschaftsreisen. Er hat den "Business Lunch" mitbegründet, bei dem Persönlichkeiten aus der Region ihre Vorstellungen zu Politik, Wirtschaft und Kultur zur Diskussion stellen. ts

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