Wie Schulen den Islam vermitteln

Duisburg · Im Saarland soll es ab dem Schuljahr 2015/16 islamischen Religionsunterricht geben. In Nordrhein-Westfalen gibt es das seit Schuljahresbeginn im August 2012 schon. Eine Grundschule in Duisburg-Marxloh gehört zu den wenigen Schulen, an denen muslimische Kinder den Unterricht besuchen können.

Hüseyin Cetin begrüßt seine Zweitklässler mit "Guten Morgen, Good Morning, Günaydin, Sabah el-khair". Die Schüler antworten im Chor, ebenfalls auf Deutsch, Englisch, Türkisch und Arabisch. An der Gemeinschaftsgrundschule Sandstraße in Duisburg-Marxloh steht "Islamischer Religionsunterricht" auf dem Stundenplan. An der Wand des Klassenraums prangt das Gemälde einer Moschee, auf Stellwänden kleben selbst gemalte Bilder der Schüler.

Heute behandelt der 54-jährige Lehrer die Fastenzeit. Zweitklässler Serkan erzählt, wie er mit seiner Familie den letzten Fastentag verbracht hat: "Wir haben geredet und dann sind wir zusammen in die Moschee gegangen und haben gebetet. Dann haben wir noch bis 21 Uhr gefastet und danach gab es Essen." Serkans Schule gehört zu den ersten 44 Grundschulen in Nordrhein-Westfalen, an denen muslimische Schüler seit Ende August vergangenen Jahres am islamischen Religionsunterricht teilnehmen können.

Der Unterricht in Nordrhein-Westfalen startete schleppend: Bislang werden nur rund 2500 von insgesamt 320 000 muslimischen Schülern unterrichtet. Der Grund: Für das neue Schulfach fehlen Lehrer. Um den Islam-Unterricht in großem Umfang einzuführen, braucht man gut 800, bundesweit sogar rund 2500 Lehrer, sagt Mouhanad Khorchide, Professor für Islamische Pädagogik an der Uni Münster, dem einzigen Ausbildungszentrum für islamische Theologen in NRW. Mehr als zehn Jahre, meint Khorchide, wird es dauern, bis ein Großteil des Lehrerbedarfs gedeckt ist.

An der Tafel stehen daher erst einmal Quereinsteiger oder für andere Fächer ausgebildete Lehrer, zum Beispiel Türkischlehrer, die bislang das Fach "Islamkunde" unterrichteten. So wie Hüseyin Cetin: Er begann vor gut 13 Jahren als Lehrer für das Fach "Islamische Unterweisung", das in NRW 1999 als Modellversuch eingeführt wurde und derzeit an 143 Grund-, Haupt- und Realschulen unterrichtet wird.

2005 wurde das Fach in "Islamkunde" umbenannt, das Ziel blieb gleich: muslimischen Kindern ihre kulturelle Herkunft zu vermitteln und ihre Integration zu fördern. Oder, wie es Khorchide ausdrückt: "Der Unterricht bietet die Möglichkeit, genau zu verstehen: Was ist eigentlich meine Religion? Was will meine Religion von mir?"

Dass der islamische Religionsunterricht nun gleichgestellt ist mit dem katholischen und evangelischen, sei ein wichtiges Zeichen, vor allem in Duisburg-Marxloh, meint Schulleiterin Ulrike Settner-Reinhard: "Je mehr wir tun können, um Kinder und Eltern zu integrieren, umso besser." Von den 283 Schulkindern haben rund 90 Prozent einen Migrationshintergrund. "Die meisten der Schüler sind türkischstämmig, andere kommen aus dem Kosovo, Bosnien oder Albanien", erklärt sie. Der Großteil der Muslime nehme am neuen Schulfach teil, in dem Lehrer wie Hüseyin Cetin nun auch bekenntnisorientiert - etwa Gebetsrituale - lehren dürfen.

Seit vielen Jahren kämpfen muslimische Verbände um die Einführung des islamischen Religionsunterrichts. Doch die Versuche scheiterten: Denn gemäß Grundgesetz ist nur staatlich anerkannten Religionsgemeinschaften der Unterricht gestattet.

Eine Bedingung, die die muslimischen Verbände in Deutschland bisher nicht erfüllen. In Nordrhein-Westfalen wurde deshalb ein achtköpfiger Beirat gebildet, aus Vertretern von Glaubensgemeinschaften und unabhängigen Fachleuten. Bis 2019 sind diese als eine Art "Ersatzreligionsgemeinschaft" an der Auswahl der Lehrer und der Entwicklung der Lehrpläne und -bücher beteiligt. Doch die Übergangslösung ist umstritten. Juristen kritisieren, dass der Staat nun quasi an der Gestaltung des Religionsunterrichts mitwirkt. Ein Widerspruch zum Grundgesetz. Kritiker werfen der Landesregierung zudem vor, dass das neue Schulfach nichts anderes als eine Umetikettierung des Islamkunde-Unterrichts ist, da Islamkunde-Lehrer nach den Lehrplänen des bisherigen Islamkunde-Unterrichts lehren.

In Duisburg-Marxloh möchte Lehrer Cetin wissen, wer vom Fasten befreit ist. "Kinder", weiß Cayan. "Richtig", sagt Cetin. Schüler und Lehrer diskutieren angeregt über das Fasten. Nicht alle Schüler gehen mit ihren Eltern in die Moschee, interessiert sind sie allerdings dennoch. Zuletzt wissen alle 13 Schüler: Kinder, Schwangere, Stillende und alte oder kranke Menschen müssen an Ramadan nicht fasten. "Aber sie können zum Ausgleich einem armen Menschen ein Essen schenken", erklärt Cetin.

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