"Wir haben eine Verpflichtung zu helfen"

St. Wendel. In geborgener Dorf-Ruhe in Bliesen liegt die Schaltzentrale. Brigitte Awad (56) leitet sie. Jeden Abend telefoniert sie mit ihrem Mann, Dr. Ahmed Awad (61)

 Brigitte Awad steht vor einem Foto ihres Mannes Ahmed und ihrer Töchter. Foto: Iris Maurer

Brigitte Awad steht vor einem Foto ihres Mannes Ahmed und ihrer Töchter. Foto: Iris Maurer

St. Wendel. In geborgener Dorf-Ruhe in Bliesen liegt die Schaltzentrale. Brigitte Awad (56) leitet sie. Jeden Abend telefoniert sie mit ihrem Mann, Dr. Ahmed Awad (61). Am Wochenende hat er sich in Somalia mit dem ersten Lkw-Transport auf den Weg nach Süden gemacht: von seiner Heimatstadt Burao, Standort des von Awad ins Leben gerufenen Projektes "Leben ohne Ketten", nach Gaalkacyo. Dorthin sind ebenfalls Hungernde geflüchtet, nicht nur über die Grenze nach Kenia, wo 400 000 Flüchtlinge in Dadaab die mediale Welt-Öffentlichkeit fesseln. "Die Korrespondenten sitzen in Nairobi. Über den Norden Somalias, Somaliland, wird kaum berichtet", sagt Brigitte Awad. Sie erzählt Erstaunliches: Dass dieser Landesteil befriedet und ohne Extremismus ist, ein Parlament hat, über gute Straßen verfügt und eine medizinische Grundversorgung. Vor allem aber: Dass in Somaliland, bis auf wenige Gebiete, keine Dürre herrscht und genügend Nahrungsmittel vorhanden sind. Sie müssen nur zu den Flüchtlingen und Bedürftigen kommen. Und eben dafür sorgt jetzt Ahmed Awad, bis 2008 Oberarzt an der Geriatrischen Klinik im St. Wendeler Marienkrankenhaus, beziehungsweise sein Verein Medical Care Somalia St. Wendel. Für 250 000 Euro hat Awad Hirse, Öl und Mehl gekauft. Das Geld stammt von der "Aktion Sternstunden" des Bayrischen Rundfunks (BR), die die Awads seit sechs Jahren unterstützt.2005 reiste Ahmed Awad, nachdem Somaliland stabil schien, nach 30 Jahren erstmals wieder zu seiner Familie nach Burao. 1970 war er durch ein Stipendium der Carl-Duisberg-Gesellschaft als Medizinstudent nach Bonn gekommen, gemeinsam mit seiner Frau Brigitte zog er Anfang der 80er ins Saarland. 2005 wurde Awad in Burao mit viel Elend konfrontiert: mit Kindern, die zu ihrem Schutz von den eigenen Familien in Ketten gelegt wurden, damit sie nicht wegrennen oder sich etwas antun. Denn eine psychiatrische Betreuung gab es nicht. Das hat sich durch das Engagement der Awads geändert. Sie bauten eine psychiatrische Tagesklinik für Kinder und eine Ambulanz in Burao auf. Seit 2008 wurden dort 300 Kinder und 2600 Patienten versorgt. "Das läuft alles so gut, dass wir die Tagesklinik in Regierungsobhut geben können", sagt Brigitte Awad. Arbeitslos werden sie und ihr Mann nicht. Auch nach der Dürre nicht. Sie möchten Dürre-Opfern in Somaliland nachhaltig helfen: "Es handelt sich um Nomaden, die von Viehzucht leben. Wenn das Wasser wieder da ist, sollte man ihnen Ziegen kaufen, damit sie sich wieder selbst ernähren können, anstatt sie in Flüchtlingslagern zu versorgen", sagt Brigitte Awad. Auch war schon vor der Dürre ein Landwirtschaftsprojekt in der einst fruchtbaren Region Berbera (Somaliland) angedacht, wo der Bürgerkrieg die Bewässerungsschleusen zerstörte.

Klingt nach einer hohen Zeit-Investititon. Noch arbeitet die gelernte Krankenschwester Brigitte Awad Vollzeit als Qualitätsbeauftragte in den CTS-Seniorenhäusern Neunkirchen/Nahe und Hasborn. Daneben managt sie den Verein, unterhält Kontakte zum Entwicklungshilfeministerium und zu Hilfsorganisationen. Sie war selbst seit 2008 drei Mal in Somalia. Ihr Mann ist seit 2010 in Rente, pendelt. Der gemeinsame Lebensabend ist verabredet - in Burao. Brigitte Awad sagt: "Uns geht es so gut. Wir haben eine Verpflichtung zu helfen."

Infos: Medical Care Somalia e.V., Tel. (0 68 54) 80 32 18.; www.medicalcare-somalia.com

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