Mehr Transparenz - und zwar schnell
Berlin. Die Koalition hatte es plötzlich ungewöhnlich eilig. "Wir handeln, andere reden", verkündete der Parlamentsmanager der Union, Michael Grosse-Brömer, schon am frühen Morgen im vierten Stock des Jakob-Kaiser-Hauses beim einem Fraktionstreffen. Nur eine halbe Stunde brauchte man hinter verschlossenen Türen, um die Opposition praktisch vor vollendete Tatsache zu stellen
Berlin. Die Koalition hatte es plötzlich ungewöhnlich eilig. "Wir handeln, andere reden", verkündete der Parlamentsmanager der Union, Michael Grosse-Brömer, schon am frühen Morgen im vierten Stock des Jakob-Kaiser-Hauses beim einem Fraktionstreffen. Nur eine halbe Stunde brauchte man hinter verschlossenen Türen, um die Opposition praktisch vor vollendete Tatsache zu stellen.Mit einem Zehn-Stufen-Modell will Schwarz-Gelb für mehr Transparenz bei den Zweitjobs der Abgeordneten sorgen. Bislang müssen die Abgeordneten Einkünfte für jede einzelne Tätigkeit anzeigen, sofern sie mehr als 1000 Euro im Monat beziehungsweise 10 000 Euro im Jahr betragen. Die Angaben werden in Stufen veröffentlicht. Die erste Stufe erfasst einmalige oder regelmäßige monatliche Einkünfte von 1000 bis 3500 Euro, die zweite Stufe bis 7000 Euro und die dritte Stufe über 7000 Euro.
Nach dem Koalitionsbeschluss soll es künftig zehn Stufen geben, wie Solms erläuterte. Gleich bleiben sollen danach die ersten drei Stufen. Dann folgen Einkünfte bis 15 000, 30 000, 50 000, 75 000, 100 000, 150 000, 250 000 und über 250 000 Euro. Und die Regierungsseite machte gleich deutlich, dass es darüber mit ihr nicht mehr viel zu verhandeln gibt. Falls die Opposition nicht mitmache, werde man das eben allein durchziehen, signalisierte der Freidemokrat Hermann Otto Solms.
Ein wenig kurios ist das schon. Gehörten Union und FDP bislang doch zu den Bremsern, wenn es um mehr Transparenz im Bundestag ging. Als Rot-Grün 2005 die Abgeordneten zwang, erstmals wenigstens einen Teil ihrer Einkünfte aus Nebenjobs publik zu machen, stimmte die damalige Opposition im Plenum dagegen. Auch alle Versuche in dieser Wahlperiode, über die drei geltenden Offenlegungs-Stufen hinaus mehr Klarheit zu schaffen, wurden von den jetzigen Regierungsfraktionen mit immer neuen Argumenten auf die lange Bank geschoben.
Erst mit der Debatte über die üppigen Vortragshonorare von Peer Steinbrück kam vor kurzem doch noch Bewegung in die bereits erlahmten Bemühungen. Der frischgekürte SPD-Kanzlerkandidate soll laut Abgeordnetenwatch.de seit 2009 mehr als 698 945 Euro neben seinem Amt verdient haben. Der öffentliche Druck nach einer Neuregelung nahm zu, auch weil bekannt wurde, dass eine Reihe von Abgeordneten der Koalition zu den Großverdienern gehören.
Bei Union und FDP setzte sich die Einsicht durch, dass man sich den Rufen nach strengeren Vorschriften nicht mehr völlig widersetzen könne. Um das Heft des Handelns in dem wählerwirksamen Punkt zurückzuerobern und vielleicht auch Schlimmeres zu verhindern, preschten Union und FDP deshalb gestern mit dem eigenen Konzept vor. Noch ist nicht absehbar, wie die Opposition damit jetzt umgeht. Entweder lassen sich SPD und Grüne auf die erweiterte Stufen-Lösung ein, oder sie stimmen im Parlament dagegen. In diesem Fall könnten Union und FDP diesmal die Opposition zum "Transparenz-Blockierer" ausrufen.
Allerdings haben erste Prüfungen der Zehn-Stufen-Lösung ergeben, dass damit immer noch große Teile der tatsächlichen Nebeneinkünfte verschleiert werden könnten: Abgeordnetenwatch.de berechnete dies am Beispiel von Heinz Riesenhuber. Danach kassierte der CDU-Abgeordnete mit seinen zahlreichen Aufsichtsrats- und Beiratsposten tatsächlich 298 500 Euro nebenbei. Nach dem Koalitionsmodell müsste Riesenhuber aber lediglich einen Zusatzverdienst von 210 000 Euro anmelden. Fast ein Drittel der Einkünfte blieben damit weiterhin verborgen.
Hintergrund
DieSaar-Landtagsabgeordneten müssen ihre neben dem Mandat ausgeübte Tätigkeiten angeben, wenn sie dafür mehr als 250 Euro im Monat oder 3000 Euro im Jahr erhalten. Dazu zählen der ausgeübte Beruf, bezahlte Tätigkeiten in Aufsichtsräten, Vorständen, Verbänden oder Vorträge. Die Höhe der Einkünfte muss nicht angegeben werden. Die Abgeordneten erhalten für ihr Mandat eine Entschädigung von monatlich 5096 Euro plus eine Kostenpauschale von 1191 Euro, Fahrtkostenerstattung und Sitzungsgelder. mast