Härtere Strafen für Spötter Gottes?Über die Grenzen des Lästerns bei der Religion

München. Es hätte einen geschickteren Termin für den Bamberger Erzbischof Ludwig Schick gegeben, seine Forderung nach stärkerer Ahndung von Gotteslästerung in Deutschland publik zu machen

München. Es hätte einen geschickteren Termin für den Bamberger Erzbischof Ludwig Schick gegeben, seine Forderung nach stärkerer Ahndung von Gotteslästerung in Deutschland publik zu machen. Just in diesen Tagen stehen die Mitglieder der russischen Punk-Band "Pussy Riots" vor Gericht und müssen sich wegen vergleichbarer Vorwürfe verantworten, wobei niemand den politischen Hintergrund übersehen kann. Die Band hatte in der Moskauer Erlöserkathedrale gegen Präsident Wladimir Putin protestiert. Gleichwohl stellte sich Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) hinter Schicks Anliegen und forderte ebenfalls eine konsequente strafrechtliche Verfolgung von Blasphemie.Zum Schutzauftrag gegenüber allen Religionen gehöre auch, so Herrmann, "dass der Rechtsstaat konsequent einschreitet, wo das religiöse Bekenntnis missachtet wird". Wer allerdings glaubt, dass man in Deutschland beispielsweise über den Papst nach Belieben herziehen kann, der irrt, wie die Macher des Satiremagazins "Titanic" erfahren mussten. Die Verbreitung des Juli-Titels, das den Papst mit gelben und braunen Flecken auf der Soutane zeigte, wurde auf Antrag der katholischen Kirche vom Landgericht Hamburg verboten.

Der sofortige Schulterschluss des CSU-Innenministers mit dem Erzbischof diente daher weniger der Rechtsfortbildung als der Profilschärfung. Denn für die CSU ist die Kirche, namentlich die katholische, immer noch eine feste Größe ihres ideologischen Koordinatensystems. Zwar sind inzwischen die Zeiten vorbei, in denen die Pfarrer an Wahlsonntagen in ihren Predigten die Gläubigen darauf einschworen, ihr Kreuz an der richtigen Stelle zu setzen, doch nimmt die CSU das "C" in ihrem Namen immer noch weitaus ernster, als dies etwa die außerbayerische Schwesterpartei tut.

Das erwies sich zuletzt am stärksten vor zwölf Jahren, als das Bundesverfassungsgericht Kruzifixe aus den Klassenzimmern verbannen wollte. In Bayern stießen die Verfassungshüter damit auf den massivsten Protest, der ihnen bis dato jemals aus der Gesellschaft entgegen tönte. Im Auftrag der CSU-Regierung ersannen die bayerischen Verfassungsjuristen einen Dreh, das Kruzifixverbot zu unterlaufen. "Angesichts der geschichtlichen und kulturellen Prägung Bayerns", heißt es seitdem im bayerischen Erziehungs- und Unterrichtsgesetz, "wird in jedem Klassenzimmer ein Kreuz angebracht". Wenn sich Schüler oder Lehrer dadurch schwerwiegend seelisch belastet fühlen, muss das Kruzifix zwar nun auch aus einem bayerischen Klassenzimmer verschwinden, aber die Zahl der Fälle, in denen dies durchgesetzt wurde, blieb bescheiden.

Seither stilisiert die CSU das Kruzifix im Klassenzimmer auch zum Sieg des bayerischen Abendlandes gegen den Zeitgeist. Keine Bierzeltrede bestritt der frühere Ministerpräsident und CSU-Chef Edmund Stoiber ohne die triumphierende Feststellung, dass "das Kreuz in den bayerischen Klassenzimmern bleibt". Die Zuhörerschaft war stets begeistert. Nachfolger Horst Seehofer führt die Tradition fort, freilich mit erkennbar geringerer Freude an der Verteidigung des christlichen Abendlandes als sein Vor-Vorgänger.

Außerhalb Bayerns quittiert man diese bewusste Nicht-Trennung zwischen Staat und Kirche je nach Einstellung mit Staunen und Spott. Je nördlicher und östlicher, umso mehr. "Wenn jetzt ein Bischof Gotteslästerung strafrechtlich verfolgen lassen will", schimpfte das "Neue Deutschland", "erinnert das nicht nur an die Praxis der Heiligen Inquisition; es ist außerdem ein Versuch, die Trennung von Kirche und Staat weiter aufzuweichen." Ein Blick in den Paragrafen 166 des (westdeutschen) Strafgesetzbuches hätte die Redaktion der ehemaligen SED-Zeitung belehrt, dass es den "Gotteslästerungsparagraf" schon immer gab.

CSU-Innenminister und Jurist Herrmann formulierte kundiger: Es gehe drum, die "gesetzlichen Möglichkeiten voll" auszuschöpfen. Nach der Verfassungslage kann dies eigentlich nur ein Appell an die Richter sein. Und die sind - auch in Bayern - unabhängig.Berlin. Mit seiner Forderung, Gotteslästerung schärfer rechtlich zu ahnden, hat der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick eine Debatte angeheizt, die in den deutschen Feuilletons schon seit Wochen läuft. Entfacht hat sie der vielfach ausgezeichnete Schriftsteller Martin Mosebach. In einem Beitrag für die "Berliner Zeitung" hatte der bekennende Katholik die These aufgestellt, dass es dem "sozialen Klima" und auch der Kunst dienen würde, wenn Gotteslästerung unter Strafe gestellt würde. Seine Begründung: Wenn der Staat das Gewaltmonopol beanspruche, dann habe er auch die Pflicht, die Ehre seiner Bürger zu schützen - und dazu gehöre, ihn vor der Verletzung seiner religiösen Gefühle zu bewahren.

Was die Kunst betrifft, so argumentiert Mosebach, die Beschränkung der künstlerischen Freiheit habe in der Vergangenheit oft zu kreativen Höchstleistungen angespornt, nach der Devise "Die Zensur verfeinert den Stil". "In diesem Zusammenhang will ich nicht verhehlen, dass ich unfähig bin, mich zu empören, wenn in ihrem Glauben beleidigte Muslime blasphemischen Künstlern - wenn wir sie einmal so nennen wollen - einen gewaltigen Schrecken einjagen." Es war vor allem dieser Satz, der massive Kritik auslöste, weil er vielen nach einer Entschuldigung von Gewalt klang. Mosebach erntete viel Widerspruch. Das Recht auf freie Meinungsäußerung ende erst, wenn es um Gewaltaufrufe, Störung des öffentlichen Friedens oder Volksverhetzung gehe, so der Tenor. Alles andere müsse der Gläubige in einer freiheitlichen Demokratie aushalten. Der Philosoph Robert Spaemann betonte jedoch, über den Holocaust dürfe man sich nicht lustig machen. dpa

Meinung

Debatte ohne Tiefgang

Von SZ-MitarbeiterRalf Müller

Es ist erstaunlich, mit wie wenig Tiefgang zuweilen politische Debatten geführt werden. Da tut Erzbischof Schick so, als könnten in Deutschland Religionen und religiöse Überzeugungen nach Belieben verunglimpft werden. Und Bayerns Innenminister Herrmann (CSU) fordert in reflexartiger Verbundenheit ein "konsequentes Einschreiten" des Rechtsstaates. Beide wissen sehr wohl, dass das Beschimpfen religiöser Symbole und das Verächtlichmachen des Glaubens nach dem Strafgesetz bereits verboten sind. Erst unlängst wurde ein Mann verurteilt, der Koran-Texte auf Toilettenpapier gedruckt hatte.

Ob es der katholischen Kirche gut tut, dieses Thema zu forcieren, muss vor dem Hintergrund ihrer unseligen Geschichte der Inquisition bezweifelt werden. Und wenn die CSU sich zum politischen Arm solcher Forderungen macht, dann mag sie in den ländlichen Regionen des Freistaats den einen oder anderen Wähler bei der Stange halten, in den Städten jedoch gewinnt sie damit keine Wähler.

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