Guttenberg auf der Anklagebank

Die kleine Cafeteria neben dem Plenarsaal ist nach der Fragestunde für kurze Zeit so etwas wie der Mikrokosmos der Guttenberg-Affäre. Der Verteidigungsminister in eigener Sache sitzt mit CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt, seinem Staatssekretär Christian Schmidt (CSU) und Kanzleramtsminister Ronald Pofalla (CDU) bei einem Kaffee zusammen und entspannt sich. Ab und zu wird gelacht in der Runde

Die kleine Cafeteria neben dem Plenarsaal ist nach der Fragestunde für kurze Zeit so etwas wie der Mikrokosmos der Guttenberg-Affäre. Der Verteidigungsminister in eigener Sache sitzt mit CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt, seinem Staatssekretär Christian Schmidt (CSU) und Kanzleramtsminister Ronald Pofalla (CDU) bei einem Kaffee zusammen und entspannt sich. Ab und zu wird gelacht in der Runde. Das Schlimmste ist überstanden. Die linke Hand in der Hosentasche hat der falsche Doktor 45 Minuten lang im Plenum alle Fragen der Opposition beantwortet, immer gleich ruhig und höflich. "Sehr geehrte Frau Abgeordnete, ja, ich habe Fehler gemacht und mich dafür entschuldigt."In der Warteschlange für die Bockwurst bekommt CDU-Fraktionsgeschäftsführer Peter Altmaier eine SMS: "Punktsieg. Dank der Dusseligkeit der Opposition." Tatsächlich zielten die Fragen im Saal immer wieder auf moralische Bewertungen, und da konnte Guttenberg leicht ausweichen. Ob er noch ein Vorbild sein könne und ob er nicht seine Glaubwürdigkeit verloren habe, das wurde dem CSU-Jungstar immer wieder vorgehalten. Guttenberg aber drehte die Vorwürfe einfach um. "Ich bin ein Mensch mit Fehlern und Schwächen", sagte er Mal um Mal. "Ich habe mich aufrecht entschuldigt." Das müsse man doch auch mal anerkennen. Ja, so ein Eingeständnis eigener Schwächen könne der politischen Landschaft insgesamt auch nicht schaden und sei ein Signal. Kein Wort davon, dass er die Vorwürfe anfangs noch als "abstrus" zurückgewiesen und erst zugegeben hatte, als immer mehr Fundstellen in seiner Doktorarbeit aufgetaucht waren.

Nur zwei Fragen betrafen die Sache, brachten aber wenig Neues. Einer wollte wissen, wie viele Ausarbeitungen des Wissenschaftlichen Parlamentsdienstes er benutzt habe. Es waren vier, plus einige Übersetzungen. Und einer fragte, ob er einen Ghostwriter für seine Doktorarbeit beschäftigt habe. Klare Antwort Guttenbergs: "Ich habe das allein geschrieben." Sollte allerdings das nicht stimmen, so die Meinung selbst in der Koalitionsspitze, wird es für den Minister "sehr schwer".

Jürgen Trittin sitzt in der Cafeteria keine drei Meter entfernt von Guttenberg und arbeitet an seiner Rede für die Aktuelle Stunde, die sich der Fragestunde anschließt. Darin will er den Rücktritt des Ministers fordern. Noch in seiner Geste angeblicher Demut habe der Mann Arroganz demonstriert, meint der Grünen-Fraktionschef empört. "Dreist" sei das, vor allem weil Guttenberg bei über 250 Fundstellen weiter daran festhalte, dass alles kein Vorsatz gewesen sei. Auch SPD-Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann greift diesen Punkt auf. "Es ist, als ob ein Ladendieb sagt, er habe aus Schlamperei nicht bezahlt." Am Eingang der Cafeteria telefoniert Norbert Geis. "Es gibt Leute, die wollen den fertigmachen", hört man den CSU-Abgeordneten ins Handy sprechen. "Weil der so beliebt ist im Volk". Das ist auch die Tonlage der CSU in der aktuellen Stunde. "Hier wird versucht, den politischen Gegner zu vernichten", ruft Landesgruppenchef Hans-Peter Friedrich aus, er schreit es geradezu ins Mikrofon. Guttenberg will jedenfalls durchhalten. Er habe eine verantwortungsvolle Aufgabe zu erledigen. Gleich heute will er es zeigen, wenn er im Bundestag die Bundeswehrreform begründet.

Meinung

Wichtiger?

Gilt nicht.

Von SZ-KorrespondentHagen Strauß

Der Auftritt des Bundesverteidigungsministers war erstaunlich. Nicht wegen dessen üblicher Souveränität, sondern wegen Guttenbergs zur Schau gestellter Attitüde: In der Demut liegt die Kraft, das war seine Botschaft. Man konnte sogar den Eindruck gewinnen, der Minister empfindet seine Konsequenzen aus der Affäre als beispielhaft. Zumal es für einen Minister Wichtigeres gibt, zum Beispiel die Bundeswehrreform, zum Beispiel der Einsatz in Afghanistan.

Nur gibt es immer Bedeutenderes als das, wofür man geradestehen muss. Wer so denkt, der kann den Diebstahl auch damit erklären, dass er im Laden den Überblick verloren hat und man es daher mit der Ehrlichkeit nicht mehr so genau nimmt. So, wie es Guttenberg bei seiner Doktorarbeit ergangen ist. Lässt man eine solche Haltung durchgehen und brandmarkt sie nicht, ändern sich die gesellschaftlichen Maßstäbe weiter zum Schlechten. Ein großer Teil der Menschen im Land findet das, wie seine Beliebtheit zeigt, mit Blick auf Guttenberg offenbar noch in Ordnung. Auch die Mehrheit im Bundestag, wie sich bei den Rednern der Regierungskoalition gezeigt hat. Das ist das eigentlich Schlimme des gestrigen Tages.

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