Gleiches Recht für Lesben und Schwule?

Karlsruhe. Man könnte versuchen, die Sache mit Kinderaugen zu sehen: Da wären dann zwei Mütter. Oder zwei Väter. Zwei Menschen, die im Notfall da sind, das Sorgerecht haben, für den Unterhalt einstehen müssen. Und nicht bloß einer

Karlsruhe. Man könnte versuchen, die Sache mit Kinderaugen zu sehen: Da wären dann zwei Mütter. Oder zwei Väter. Zwei Menschen, die im Notfall da sind, das Sorgerecht haben, für den Unterhalt einstehen müssen. Und nicht bloß einer. Denn darum geht es beim Streit um die sogenannte Sukzessivadoption, über die gestern vor dem Bundesverfassungsgericht verhandelt wurde: Ein adoptiertes Kind lebt bei einem schwulen oder lesbischen Paar - und die Frage ist, ob beide Elternteile auch rechtlich voll verantwortlich sind, auch vor dem Gesetz als Eltern gelten.Bei heterosexuellen Ehepartnern ist das kein Problem. Sie können auch Adoptivkinder ihres Partners adoptieren. Und wenn es sich bei einem homosexuellen Paar um das leibliche Kind eines Partners handelt, dann ist die sogenannte Stiefkindadoption möglich. Deshalb können, wie der Grünen-Politiker Volker Beck vor Gericht erläuterte, absurde Situationen entstehen: Wenn etwa zwei Frauen mit zwei Kindern leben - eines leiblich, das andere adoptiert. Dann hat das eine zwei Eltern, das andere nur einen Elternteil. Das hat nicht nur Auswirkungen beim Unterhalt: Wenn etwa die Adoptivmutter stirbt, wäre das eine Kind elternlos. Und auch beim Erbrecht ist das Kind mit zwei Eltern besser dran.

Eine Ärztin aus Münster hatte Verfassungsbeschwerde eingelegt. Ihre Partnerin, mit der sie seit 20 Jahren zusammen ist, hatte 2004 ein Mädchen aus Bulgarien adoptiert. Das Kind lebt mit beiden im gemeinsamen Haushalt - doch den Wunsch der Ärztin, gleichfalls Adoptivmutter zu werden, lehnten die Gerichte ab.

Es gehe "zuallererst um die Rechte der Kinder und nicht um die Rechte der Lebenspartner", betonte Beck, der 2004 selbst an den Gesetzesberatungen beteiligt war. Er bat die Richter, sie sollten "nicht vermuten, dass der Gesetzgeber ein rechtspolitisches Konzept hatte". Es habe sich um einen Kompromiss der rot-grünen Koalition gehandelt. Der Fraktionsgeschäftsführer der Grünen scheute sich nicht, vor den Richtern eine Art Offenbarungseid abzulegen: Man habe gehofft, dass die gesellschaftliche Akzeptanz wachsen werde - "oder dass die Gerichte regeln, was wir politisch nicht hinbekommen".

Das es so kommen wird, darf nach der gestrigen Verhandlung als wahrscheinlich gelten: Fast alle Experten sprachen sich dafür aus, die Sukzessivadoption bei Lebenspartnern zu erlauben. "Ich habe selten eine mündliche Verhandlung erlebt, in der die Stellungnahmen so einhellig waren", sagte Verfassungsrichter Johannes Masing. "Eine Aufspaltung der Elternrolle kann nicht im Sinne des Kindes sein", sagte Marion Schwarz vom Berufsverband der Kinder- und Jugendpsychotherapeuten. Gerade in Konfliktsituationen sei es wichtig, dass beide Partner gleichberechtigt sind.

Schon in mehreren Entscheidungen hat das Bundesverfassungsgericht die Rechte von homosexuellen Paaren gestärkt - etwa bei der Erbschaftssteuer und beim Familienzuschlag für Beamte. Es sieht so aus, als würde sich Volker Becks Wunsch bei der Adoptionsfrage erfüllen: Dass letztlich das Gericht eine Benachteiligung beendet, welche die Politik nicht beseitigen mochte. Mit einer Entscheidung ist im kommenden Jahr zu rechnen.

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