Zahl der Pflegefamilien sinkt

Saarbrücken. Familien, die ein Pflegekind aufnehmen, haben's nicht leicht: Einerseits bringt das Kind viele Probleme von zuhause mit, im schlimmsten Fall haben die Eltern den Nachwuchs misshandelt. Andererseits pochen die leiblichen Eltern aber darauf, möglichst oft Kontakt mit dem eigenen Sprössling zu haben

 Dieses Mädchen lebt in einer Pflegefamilie und macht ihre Hausaufgaben. Es dauere oft zu lange, bis klar ist, ob ein Kind in der Pflegefamilie bleibt oder zu den Eltern zurückkehrt, sagt das Jugendamt des Regionalverbandes. Foto: Peter Steffen/dpa

Dieses Mädchen lebt in einer Pflegefamilie und macht ihre Hausaufgaben. Es dauere oft zu lange, bis klar ist, ob ein Kind in der Pflegefamilie bleibt oder zu den Eltern zurückkehrt, sagt das Jugendamt des Regionalverbandes. Foto: Peter Steffen/dpa

Saarbrücken. Familien, die ein Pflegekind aufnehmen, haben's nicht leicht: Einerseits bringt das Kind viele Probleme von zuhause mit, im schlimmsten Fall haben die Eltern den Nachwuchs misshandelt. Andererseits pochen die leiblichen Eltern aber darauf, möglichst oft Kontakt mit dem eigenen Sprössling zu haben. "Die Pflegeeltern müssen diesen Spagat aushalten", sagt Edith Hüther, Leiterin der Abteilung Adoption und Pflegekinderdienst beim Jugendamt des Regionalverbandes.Für manche Pflegefamilien ist das offenbar zuviel. Die Zahl ist von 2000 bis Oktober 2011 von 322 auf 251 gesunken. So steht es in einem Papier der Verwaltung zur Sitzung des Jugendhilfeausschusses, der in dieser Woche tagte. Auf der anderen Seite ist die Zahl der sogenannten Bereitschaftsfamilien gestiegen, die ein Kind direkt aufnehmen, wenn es das Jugendamt aus seiner Familie geholt hat. 18 sind es heute, 1997 waren es drei.

Lange Gerichtsverfahren

Es vergehe viel Zeit, bis ein Kind von der Bereitschaftsfamilie in seine eigentliche Pflegefamilie oder zurück nach Hause komme, sagt Jugendamtsleiterin Uschi Biedenkopf. Sie meint, die Gerichtsverfahren zum Sorgerecht und die dafür in Auftrag gegebenen Gutachten dauerten oft zu lange. Familien zögerten auch, ältere Kinder sowie Jungen und Mädchen mit schweren gesundheitlichen und psychischen Störungen aufzunehmen. Diese Zahl nehme zu, sagt die Amtsleiterin. Besonders schwierig werde es zudem, wenn das Pflegekind in die Pubertät kommt. Manche Pflegeeltern würden dann aufgeben.

Kinder mit großen Problemen kämen oft bei professionellen Pflegern unter. Doch das kostet deutlich mehr Geld und belastet den Haushalt des Regionalverbandes, erklärt Biedenkopf. Pflegefamilien erhielten viel weniger. Sie will jetzt mit Hilfe von Wissenschaftlern den Pflegekinderdienst kritisch untersuchen. Biedenkopf glaubt: "Wir beschäftigen uns zu wenig mit der Herkunftsfamilie." Zwar müsse das Jugendamt nach dem Gesetz die Möglichkeit offenhalten, dass das Kind nach einiger Zeit wieder zu den leiblichen Eltern zurückkehrt. Aber vielleicht müsse das Amt sie über mehrere Monate intensiv betreuen, um zu klären, wie die Mitarbeiter sie unterstützen können und wo die Probleme liegen.

Wird das bisher nicht getan? Biedenkopf: "Das wurde zu wenig gemacht." Die Rückkehr zu den Eltern gelinge zu selten. Die Entscheidung, wo das Kind bleibt, müsse schneller fallen: "Dieser Schwebezustand dauert oft zu lange." Deshalb wolle sie sich mit erfolgreichen Konzepten auseinandersetzen, um die Arbeit des Jugendamtes zu verbessern.

Sie ist auch dafür, den Pflegeeltern mehr zu zahlen. Dadurch möchte sie auch Familien gewinnen, die Sozialarbeit machen, aber davon leben wollen, meint Biedenkopf. Zurzeit zahle das Jugendamt an Pflegeeltern für ein Kind bis fünf Jahre 714 Euro pro Monat, für ein Kind zwischen sechs und elf Jahren 791 Euro und zwischen zwölf und 18 Jahren 875 Euro. Sie glaubt nicht, dass dann Paare ein Kind nur wegen des Geldes aufnehmen.

Die Verwaltung denkt auch über eine Organisationsreform im Jugendamt nach, weil Abteilungsleiterin Edith Hüther in wenigen Wochen in den Ruhestand geht. Uschi Biedenkopf spricht sich aus fachlichen Gründen dafür aus, die eigenständige Abteilung Pflegekinderdienst zu erhalten und nicht mit dem Sozialen Dienst zusammenzulegen.

Letzterer kümmert sich um die leiblichen Eltern, der Pflegekinderdienst um die Pflegeeltern.

Sie findet die Trennung gut, denn es gebe eine große Konkurrenz zwischen diesen Familien, betont Edith Hüther.

Meinung

Kinder brauchen eine

schnelle Entscheidung

Von SZ-RedakteurMarkus Saeftel

 Dieses Mädchen lebt in einer Pflegefamilie und macht ihre Hausaufgaben. Es dauere oft zu lange, bis klar ist, ob ein Kind in der Pflegefamilie bleibt oder zu den Eltern zurückkehrt, sagt das Jugendamt des Regionalverbandes. Foto: Peter Steffen/dpa

Dieses Mädchen lebt in einer Pflegefamilie und macht ihre Hausaufgaben. Es dauere oft zu lange, bis klar ist, ob ein Kind in der Pflegefamilie bleibt oder zu den Eltern zurückkehrt, sagt das Jugendamt des Regionalverbandes. Foto: Peter Steffen/dpa

Pflegeeltern sind wichtig: Kinder, die bei ihren Eltern nicht mehr bleiben können, weil sie dort Gewalt erlebt haben oder Mutter und Vater mit der Erziehung überfordert sind, können in einer neuen Familie unterschlüpfen. Sie machen also eine ganz wichtige Arbeit. Gleichzeitig haben die Eltern das Recht, ihre Kinder zu sehen. Diesen Spagat müssen Pflegeeltern aushalten, so schwer es auch ist, und damit rechnen, dass die Kinder eines Tages zu ihren Eltern zurückkehren. Die Entscheidung, wo das Kind bleibt, darf aber nicht viele Monate dauern. Da hat Jugendamtsleiterin Uschi Biedenkopf recht. Sonst ist das Kind viel zu lange hin- und hergerissen. Deshalb ist es wichtig, dass Gerichtsverfahren schneller abgeschlossen werden und das Amt die leiblichen Eltern stärker unterstützt. Hier muss das Jugendamt schleunigst besser werden. Wenn es gelingt, dass die Eltern die Kinder wieder aufnehmen - was nicht immer möglich sein wird - ist das die beste Lösung.

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