Leos Tor zur Straße des Friedens

St Wendel · Es ist ein besonderes Geschenk, mit dem Gerd Winner seinen Künstlerfreund Leo Kornbrust bedacht hat: Die Stahlskulptur an der Damra ist eine Perle mehr in der Kette, als die der St. Wendeler Bildhauer die Straße des Friedens beschreibt.

Es sind zwei riesige Stahlplatten mitten im Grün. Sie haben Gewicht und wirken mit ihrer rostbraunen Farbe doch ganz leicht. Wie der Rahmen bei einem Kunstwerk lenken sie den Blick hinein in die Landschaft. Es ist das "Tor für Leo." "Am Anfang war ich etwas skeptisch", gesteht Bildhauer Leo Kornbrust. Doch jetzt gefällt ihm der neue Blick von der Damra aus, dem Haus, in dem er 1929 geboren wurde. Es liegt am Fuß der Straße der Skulpturen. Das "Tor für Leo" ist ein Geschenk seines Künstlerfreundes Gerd Winner. Zeitgleich haben die beiden Künstler an der Akademie in München unterrichtet. Das ist aber längst nicht die einzige Gemeinsamkeit. Verbunden sind sie auch in ihrem Engagement um die Straße des Friedens im Sinne von Otto Freundlich.

Vision aus den 1930er-Jahren

Der 1878 im heutigen Slupsk (Polen) geborene Bildhauer Freundlich wurde von den Nazis als entarteter Künstler eingestuft. 1943 starb er in einem Konzentrationslager. Überlebt hat aber seine Vision einer Straße des Friedens. "1936 hatte er die Idee zu großen begehbaren Skulpturen in der Landschaft, die als Treffpunkt fungieren sollten", sagt Cornelieke Lagerwaard, stellvertretende Vorsitzende des 2004 geründeten Vereins Straße des Friedens. Später habe er diese Idee weiterentwickelt zur Straße des Friedens. Eine Achse sollte von Norden nach Süden, eine andere von Moskau nach Paris führen. Tatsächlich ist Moskau inzwischen Teil dieser Skulpturenstraße sowie auch Freundlichs Geburtsort. Die Gesamtzahl der Skulpturen schätzt Lagerwaard inzwischen auf mehr als 400.

Eine beachtliche Zahl und das, obwohl Bildhauer langsame Leute sind, wie Leo Kornbrust verrät. "Wir wollen alles richtig verstehen. Das dauert." So hat es auch eine Weile gedauert, bis er das Vermächtnis von Otto Freundlich in seiner Komplexität verinnerlicht hatte. 1971/72 initiierte Leo Kornbrust ein Bildhauersymposium mit Künstlern aus elf Ländern in St. Wendel. Der Schritt zur Straße der Skulpturen wurde durch zwei Ereignisse beeinflusst. Es wurden 1973 bei Baggerarbeiten riesige Sandsteinblöcke gesprengt, und entlang des Symposiumsgeländes wurde der Saarland-Rundwanderweg neu angelegt. Auf Initiative Kornbrusts hin platzierte man die Steinblöcke am Rande des Wanderweges. Es sollte eine Skulpturenstraße geschaffen werden - eine Hommage an Otto Freundlich. "Die erste Skulptur ganz im Sinne von Otto Freundlich war der ,Große Fuß' von Yoshimi Hashimoto", erinnert sich Kornbrust.

Was in St. Wendel der Stein, ist in Salzgitter der Stahl. Dort hat Gerd Winner ein Symposium mit Stahl-Künstlern ins Leben gerufen und einen Teil zur Straße des Friedens beigesteuert. Es gibt keinen festen Plan oder eine feste Reihenfolge, in der sich die Skulpturenstraße weiterentwickelt. An Künstlern, die etwas im Sinne von Freundlich schaffen wollen, mangelt es jedenfalls nicht. "Wenn wir den Anlass sehen, etwas zu machen, fallen mir gleich viele Künstler ein, die ich ansprechen könnte", so der St. Wendeler Künstler. Auch bekommt Kornbrust Zuschriften von Bildhauern. Vorgaben macht der 84-Jährige übrigens keine. Nur zum Gedanken des Friedens sollen die Werke passen. Wie so oft ist auch die Weiterentwicklung der Skulpturenstraße eine Frage des Geldes. "Das Material ist teuer", so Kornbrust. Und zeitintensiv bei der Bearbeitung. An einer Skulptur schleife ein Bildhauer schon mal bis zu einem Jahr. In dieser Zeit müsse er von etwas leben. Lagerwaard schätzt die Kosten für eine Steinskulptur auf 30 000 bis 40 000 Euro.

Skulptur als ein Geheimnis

Leo Kornbrust hat in jungen Jahren zunächst modelliert und seine Arbeiten in Bronze gegossen. "Erst später habe ich den Stein ausprobiert. Ich dachte nicht, dass ich das kann." Er habe sich stets für seine Idee das passende Material gesucht und sich nie von der Form eines Steines lenken lassen. In seiner Werkstatt liegt eine Skulptur. Noch nicht vollendet, noch im Werden. Mitten im Schaffensprozess hat 2013 ein Schlaganfall die Arbeit des Künstlers unterbrochen. Derzeit sieht er sich nicht im Stande weiterzumachen. Er habe keine Kontrolle über die rechte Hand. Die Liebe zur Bildhauerei aber ist trotz der eigenen Zwangspause ungebrochen. "Der Zugang zu einer Skulptur ist nicht einfach. Sie ist ein Körper, sie ist geheimnisvoll", sagt der 84-Jährige. Er beobachtet gerne Menschen dabei, wie sie sich den Werken aus Stein nähern. "Wenn ich merke, da ist Verständnis da, erkläre ich mehr."

Neben dem "Tor für Leo" wird die Skulpturenstraße in St. Wendel in diesem Jahr um eine weitere Arbeit ergänzt. In den nächsten Wochen soll eine Skulptur von Ansgar Nierhoff im St. Wendeler Stadtpark aufgestellt werden. "Die Witwe des verstorbenen Künstlers hat uns die Arbeit geschenkt", sagt Lagerwaard. Nierhoff habe sich immer an dem Projekt beteiligen wollen - nun geschieht es postum. Die Schenkung ist für den Verein Straße des Friedens ein weiterer Glücksfall. Es bleiben nur die Kosten für Anlieferung und Fundament.

So wird eine weitere Perle eingefädelt, ist die Skulpturenkette um ein Glied reicher. Und das Vermächtnis von Otto Freundlich ist noch immer lebendig. "Durch die Kraft der Kunst wird die Idee des Friedens vermittelt", so Lagerwaard. Es macht Leo Kornbrust betroffen. Ausgerechnet der "Große Fuß" des Bildhauers Yoshimi Hashimoto wurde mit Farbe beschmiert. Ist doch gerade diese Skulptur für den St. Wendeler Künstler etwas Besonderes. "Es war der erste bewusste Schritt zur Skulpturenstraße im Sinne von Otto Freundlich", erklärt Cornelieke Lagerwaard, stellvertretende Vorsitzende des Vereins Straße des Friedens. 1978 wurde die Skulptur zwischen St. Wendel und Baltersweiler aufgestellt.

Dass Kinder und Erwachsene auf den Steinen herumklettern, sei in Ordnung, bekräftigt die Kunsthistorikerin. "Aber man darf sie nicht kaputt machen." Im vergangenen Jahr wurde die Skulptur "Erdsäule" mit Farbe und Sprüchen beschmiert (wir berichteten). Nun hat es auch Hashimotos Fuß getroffen. Die Straße der Skulpturen sei schon immer ein beliebter Treffpunkt gewesen, so Lagerwaard. Das ist im Sinne der Macher. Doch dürfe der Respekt vor dem Eigentum anderer nicht verloren gehen. Die Schmierereien sind das eine, der Missbrauch der Skulpturen als Toilette und Mülleimer das andere.

Reinigung ist teuer

Warum plötzlich die Häufung dieser Farbattacken? Ein möglicher Grund könnte die aufgestellte Tischgruppe sein, vermutet Lagerwaard. "Es ist einladend, mutet an wie ein Rastplatz." Der Müllereimer sei sehr klein, und so lande der Überschuss in der Natur. Um die Kunstwerke wieder von den Schmierereien zu befreien, ist es nicht mit Wasser und Seife getan. "Da die Steine nicht poliert sind, können wir sie nicht abwaschen. Die Farbe ist tief in den Stein eingedrungen", so die Kunsthistorikerin. Es müsste ein Restaurator beauftragt werden, um die Steine fachgerecht von den Schmierereien zu befreien, und das koste.

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