Nicht verwandt und doch GeschwisterEin Leben mit zwei Familien

Remmesweiler. Vater, Mutter, drei Kinder: Eigentlich sind die Pitschs aus Remmesweiler eine ganz normale Familie. Genauso würden sie sich auch selbst beschreiben. Und doch sind sie auf gewisse Weise etwas ganz Besonderes. Denn zwei der drei Kinder sind Pflegekinder. "Für mich und meinen Mann gibt es da keinen Unterschied", sagt Caroline Pitsch

 Familie Pitsch aus Remmesweiler (von links): Papa Werner (hinten), Saskia, Mama Caroline, Dennis (vorn) und Mirko. Foto: privat

Familie Pitsch aus Remmesweiler (von links): Papa Werner (hinten), Saskia, Mama Caroline, Dennis (vorn) und Mirko. Foto: privat

Remmesweiler. Vater, Mutter, drei Kinder: Eigentlich sind die Pitschs aus Remmesweiler eine ganz normale Familie. Genauso würden sie sich auch selbst beschreiben. Und doch sind sie auf gewisse Weise etwas ganz Besonderes. Denn zwei der drei Kinder sind Pflegekinder. "Für mich und meinen Mann gibt es da keinen Unterschied", sagt Caroline Pitsch. Saskia (15), Mirko (12) und Dennis (7) sind alle drei ihre Kinder."Eigentlich wollten wir am Anfang ein Kind adoptieren", erinnert sich Caroline Pitsch zurück. Doch dann kam im Alter von drei Wochen Saskia als Dauer-Pflegekind in die Familie. "Saskia war von Anfang an unser Kind. Wir haben auch inzwischen das Sorgerecht, und sie trägt unseren Namen." Drei Jahre später wurde der heute zwölfjährige Mirko geboren. Er ist das einzige leibliche Kind der Pitschs. "Wir haben dann entschieden, dass ein drittes Kind noch schön wäre. Aber es sollte im Alter zu den beiden Geschwistern passen." Im Alter von 15 Monaten kam so auch Dennis in die Familie.

Kontakt zur eigenen Familie

Mirko sagt das entschlossen und lächelt dabei. Dennis und Saskia haben noch leibliche Geschwister. Zu diesen haben sie auch Kontakt. Dennis hat zum Beispiel eine Schwester, die nur ein Jahr älter ist als er. Sie treffen sich regelmäßig zum Spielen. "Die beiden wissen, dass sie Geschwister sind, begegnen sich aber eher freundschaftlich", erzählt Caroline Pitsch.

Einmal im Jahr bietet das Jugendamt des Landkreises St. Wendel seinen Pflegefamilien eine Ferienfreizeit an. Einen Großteil der Kosten dafür trägt der Landkreis. Zum elften Mal ging es in diesem Jahr in der ersten Ferienwoche ins Emsland ins Ferienzentrum Schloss Dankern. Bei Familie Pitsch bereits ein fester Termin im Kalender. Seit 2004 fährt die Familie mit ins Emsland. "Zwischen 28 bis 35 Familien treffen wir in der Regel dort an", so Pitsch. Auch Mitarbeiter des Jugendamts sind vor Ort. "Für Pflegekinder ist diese Freizeit auch der Hinweis: Ich bin nicht alleine als Pflegekind", erklärt Monika Sartorius vom St. Wendeler Jugendamt. Bei den Kindern kommt Schloss Dankern gut an. "Die große Spielhalle und das Wasserskifahren hat mir besonders gut gefallen", erzählt Dennis. "Außerdem treffe ich meine Geschwister dort." Gemeint sind Dennis' leibliche Geschwister. Der zwölfjährige Mirko kennt die Ferienanlage inzwischen ziemlich gut. "Aber das Kartfahren und die High-Speed-Rutsche im Schwimmbad machen immer noch viel Spaß." Auf der Rückfahrt vom Emsland hat er sogar einen Artikel verfasst.

Caroline Pitsch schätzt an der Woche im Emsland auch den Austausch mit den anderen Pflegeeltern - ein vom Jugendamt gewünschter Effekt. "Es ist eine Möglichkeit, dass sich unsere Pflegeeltern untereinander vernetzen", sagt Sartorius.

Zum Beispiel: Spontan werden Straßenfeste organisiert. Man stellt Tische und Stühle zusammen, und jeder bringt etwas zu essen mit. Für Familie Pitsch wird es die Touren ins Schloss Dankern wohl noch so lange geben, wie Dennis, der Jüngste im Hause Pitsch, Spaß daran hat. "Aber irgendwann wird es auslaufen. Dann haben die Kinder andere Interessen", weiß Mama Pitsch, was auf sie zukommen wird. St. Wendel. Ein Kind soll "umgeben von Glück, Liebe und Verständnis aufwachsen" - so heißt es in der UN-Kinderrechtskonvention von 1989. Doch nicht immer sind diese Voraussetzungen im Elternhaus gegeben. Es kann viele Gründe haben, warum Eltern ihre Kinder zeitweise oder auf Dauer nicht richtig versorgen können. Diese Rolle übernimmt dann eine Pflegefamilie. Im Landkreis St. Wendel gibt es 96 Pflegefamilien, die sich um 125 Pflegekinder kümmern. "Wir haben viele motivierte Pflegeeltern", sagt Montika Sartorius vom Jugendamt.

Ehe ein Kind aus seiner Familie geholt wird, werden zunächst alle ambulanten Hilfen für die Eltern ausgeschöpft. Doch letztlich müsse im Interesse des Kindes entschieden werden. "Es muss eine Rechtsprechung geben, die das Wohl des Kindes in den Mittelpunkt stellt", sagt Sartorius ernst. Das Elternrecht werde oft zu hoch angesiedelt. Auch bei der Entscheidung, welches Kind zu welcher Pflegefamilie kommt, stehen die Bedürfnisse des Kindes an erster Stelle. Dabei spielt es keine Rolle, ob sich ein älteres oder jüngeres Paar bewirbt. "Es muss passen", bringt es Petra Krämer vom Jugendamt auf den Punkt. Auch Singlefrauen können Pflegemutter werden. "Nach einer Scheidung haben wir ja auch alleinerziehende Mütter", sagt Krämer.

Sorgen und Ängste

Ehe man sich entscheidet, ein Pflegekind aufzunehmen, sollte man sich bewusst machen, dass "jedes Kind einen dicken Rucksack" dabei hat, sagt Sartorius. In diesem Rucksack sind Erlebnisse, Sorgen, Traumata, Verlassensängste. "Pflegeeltern sollten Ausdauer, Stabilität und Einfühlungsvermögen mitbringen", fasst Sartorius zusammen. Die Bewerber, die sich ans Jugendamt wenden, müssen zunächst einen Fragebogen ausfüllen, der saarlandweit einheitlich ist. Darin geht es zum Beispiel um die Wohnsituation, den Job, die Familie und die Gesundheit. Außerdem gibt es ein Seminar für künftige Pflegeeltern, das sie auf ihre Aufgabe vorbereiten soll.

Froh ist das St. Wendeler Jugendamt über die Unterstützung von Brigitte Neis von der Stiftung Hospital. Seit zehn Jahren begleitet sie die Pflegeeltern, nimmt ihnen die Angst und steht ihnen mit Rat und Tat zur Seite. Diese Art der Begleitung ist einmalig im Saarland. Kaum ein Pflegeverhältnis scheitere hier im Landkreis, sagt Krämer stolz.

Auch wenn das Pflegekind in eine neue Familie kommt, bleiben die leiblichen Eltern ein Teil seines Lebens. Es gibt meistens Besuchskontakt. Außerdem können die leiblichen Eltern ihr Kind jederzeit zurückfordern. "Eine Pflege läuft gut, wenn die leiblichen Eltern dem Kind sagen: Du darfst hier bleiben, Du darfst Dich geborgen fühlen", sagt Sartorius. Für die Pflegefamilie wiederum gilt es, mit dem Wissen umzugehen, dass dieses Kind nie allein ihr Kind sein wird. "Respekt und Wertschätzung gegenüber der leiblichen Familie ist obere Maxime", sagt Krämer. Wie gut das in den Pflegefamilien funktioniere, zeige sich auch bei den Weihnachtsfeiern. evy "Manche Schulkame-

raden sagen, ich sei ein Einzelkind und dass Pflegekinder keine echten Geschwister sind. Aber das ist Unsinn. Sie sind meine Geschwister."

 Im Einsatz für die Jugend: Monika Sartorius, Aline Barz und Perta Krämer (v. li.) vom St. Wendeler Jugendamt. Foto: Schneider

Im Einsatz für die Jugend: Monika Sartorius, Aline Barz und Perta Krämer (v. li.) vom St. Wendeler Jugendamt. Foto: Schneider

Mirko Pitsch (12)

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