Drohbriefvorwurf kontra Kirchenfrieden

St. Wendel. Es war eine große Zeremonie, ein feierlicher Gottesdienst, mit dem hunderte Katholiken den neuen Seelsorger in St. Wendel Anfang Februar begrüßten. Nicht fehlen durfte, wie üblich bei solchen Empfängen, viel lokale Polit-Prominenz

St. Wendel. Es war eine große Zeremonie, ein feierlicher Gottesdienst, mit dem hunderte Katholiken den neuen Seelsorger in St. Wendel Anfang Februar begrüßten. Nicht fehlen durfte, wie üblich bei solchen Empfängen, viel lokale Polit-Prominenz. Vertreter der Gremien aus den sechs Pfarreien der Gemeinschaft boten "solidarische und loyale Mitarbeit an", wie es Hans-Jürgen Loch stellvertretend für den Verwaltungsrat formulierte. Die Ernennungsurkunde des Trierer Bischofs Stephan Ackermann wurde verlesen. Gleich mehrere Priester zelebrierten die Feier in der Wendelinus-Basilika.Vorschusslorbeeren bekam der gebürtige Marpinger, der zuletzt kirchlicher Leiter des Dekanats in Völklingen gewesen war, vom Vorsitzenden des St.-Wendelin-Pfarrgemeinderats, Walter Martin. Mit salbenden Worten hieß er im Namen der Pfarrangehörigen den Geistlichen willkommen: "Die Christen unserer Pfarrgemeinde sind froh darüber, dass der Herr Sie zu uns geführt hat." Der mittlerweile 54-Jährige Leist damals optimistisch: "Ich habe das Amt mit Freude angenommen."

Und er ergänzte: "Obwohl ich nicht weiß, was auf uns alle zukommen wird." Das wusste niemand an jenem 5. Februar, dem Tag der offiziellen Amtsübernahme. Aus heutiger Sicht ´klingt diese Aussage wie eine Prophezeiung, auch wenn Leist dies wohl darauf bezog, wie sich die sechs Pfarreien in seinem neuen Einflussgebiet entwickeln. Jetzt scheint ihn seine Vergangenheit einzuholen. Zumindest kommt Gravierendes auf ihn zu: Vorwürfe eines Kirchenmannes, der bis 2011 seinen Dienst in Köllerbach tat. Der dann in einer Nacht- und Nebelaktion nach Drohbriefen und Tierkadavern vor seiner Haustür Ostern vergangenen Jahres seine Wirkungsstätte aufgab. Anschließend auf Grund der Vorfälle seine angegriffene Psyche ärztlich behandeln ließ und heute in Nordrhein-Westfalen eine neue Aufgabe hat. Guido Johannes Ittmann, der dies alles durchmachte, gibt dem heutigen St. Wendeler Kirchenhirten Klaus Leist dafür die Schuld. Leist soll demnach Ittmanns Hinweise auf mögliche Missbrauchsfälle in seiner eigenen Gemeinde als bloße "Gerüchte" abgetan haben. Konkret informierte Ittmann 2010 über einen Priester, der sich in den 90ern an einem Mädchen vergangen haben soll. Das Opfer bestätigte dies und berichtete zudem von Übergriffen auf ihren Bruder durch einen weiteren Geistlichen. Staatsanwaltliche Ermittlungen scheiterten aber, weil die Fälle verjährt waren.

Darauf flatterten laut Ittmann Drohbriefe in seinen Briefkasten. Wenig später machten in seiner Gemeinde Gerüchte über mutmaßliche Vergehen seinerseits die Runde, als er in der Jugendseelsorge in Berlin tätig gewesen war. Was das Bistum eine Weile später dementierte. All dies gehe aufs Konto von Klaus Leist, sagte Ittmann. Wogegen sich der Beschuldigte bis heute standhaft wehrt.

Doch das nächste Kapitel in dieser unschönen Geschichte ist bereits aufgeschlagen. Denn es sollte nicht allein bei Ittmanns Vorwürfen bleiben, die sich nicht mit seinem Weggang aus dem Saarland in Wohlgefallen aufgelöst haben. Seit Neuestem ist zusätzlich die Staatsanwaltschaft in Saarbrücken am Zug und ermittelt gegen Leist. Deren Sprecher Thomas Rheinhardt: "Es geht um den Tatverdacht der Bedrohung." Die Ermittlungen seien noch nicht abgeschlossen. Das dauere wohl auch noch eine Weile, denn "die zuständige Dezernentin ist im Moment in Urlaub". Zudem habe Leists Anwalt die Akten zugestellt bekommen, um sich ins Verfahren einzulesen. Mehr könne Reinhardt zum jetzigen Zeitpunkt nicht sagen. Nur so viel, dass es um die anonymen Drohbriefe an Ittmann gehe.

Indes schweigt der Beschuldigte. Am Telefon weist er lediglich auf das "sehr komplexe Thema" hin. Außerdem habe ihn die Geschichte "mitgenommen". Und zu den konkreten Vorwürfen? Leist gibt sich höflich, wie von einem Kirchenmann öffentlich nicht anders zu erwarten, jedoch wortkarg. Anders Henning Gramlich. Für den Vorsitzenden des Pfarreienrats sei die Meldung über die staatsanwaltlichen Ermittlungen zwar "nicht überraschend" gekommen. Er werde die Vorwürfe aber "nicht beurteilen. Das steht uns nicht zu," sagt Gramlich - erst recht keine Vorverurteilung. So seien die Mitglieder der Pfarrgemeinderäte übereingekommen: "Wir stehen momentan ganz klar zu Pfarrer Leist." Die Beteiligten warteten das Ermittlungsergebnis ab. Ob es anschließend wieder etwas zu feiern gibt?Archivfoto: B&B/SZ

Auf einen Blick

Klaus Leist (29. Juni 1958) ist gebürtiger Marpinger. Er studierte in Trier und Regensburg Philosophie sowie Theologie. Ein Pastoralpraktikum im Westerwald (1987 - 1988) schloss sich im Westerwald an. Am 13. Februar 1988 folgte die Diakonweihe im Trierer Dom, im selben Jahr wurde er Priester. Es schlossen sich Stationen als Kaplan in Waldbreitbach und Niederbreitbach an, Vikar in Klarenthal, Gersweiler, Ottenhausen (1991 - 1994), Pfarrer in Holz und Kutzhof. 2004 wurde er Dechant in Völklingen.

Seit Februar ist er Pfarrer der Pfarreiengemeinschaft St. Wendel mit St. Wendelin, St. Anna (beide St. Wendel), St. Remigius (Bliesen), St. Martin (Niederlinxweiler), St. Marien (Urweiler) Heilige Familie (Winterbach). hgn

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