150. Prozession: Eine gelebte Tradition

Freisen · Zum 150. Mal sind die Freisener auf den Füsselberg gepilgert und erfüllten damit ein Gelübde, dass bis ins Jahr 1864 zurückführt. 200 Menschen haben sich am Karfreitag auf den Weg gemacht.

Es ist Karfreitagmorgen acht Uhr in Freisen. Die Messdiener Lennard Foggy, Marc-Kevin Stoll, Florian Zenner und Manuel Klos treten mit einem Kreuz und einer tragbaren Lautsprecheranlage aus der Pfarrkirche St. Remigius. Ortsvorsteher Gerd Staudt hält ein Gebetbuch und ein Mikrofon in Händen. "Wir haben Glück mit dem Wetter, es wird keinen Regen geben", prophezeit Staudt nach einem Blick in Richtung des grauen Himmels. Ein paar Meter von der Kirche entfernt schießt sich eine erste kleinere Gruppe an, eine Menschentraube mischt sich an der Kreuzung Baumholder- /Bahnhofstraße unter das Fußvolk. Überall stehen in der Schul- und Schlagbaumstraße Frauen, Männer, Jugendliche und Kinder, manche werden in der Kutsche chauffiert, angeleinte Hunde laufen ruhig neben ihrem Herrchen mit. "Früher war es den Familien eine heilige Pflicht, dass aus jedem Freisener Haus wenigstens eine Person mitgeht", teilt Staudt mit.

Rückblick ins Jahr 1864. Damals, vor 150 Jahren, hatten die Bauern im Dorf fast ihr ganzes Vieh verloren. Eine Seuche hatte es hingerafft und die Bauern binnen kurzer Zeit arm gemacht. Deshalb nahmen sie ihre Zuflucht zum Herrn im Himmel und gelobten eine Bittprozession, damit eine solche Katastrophe nicht noch einmal geschieht.

Zurück zur Gegenwart. Staudt betet vor: "Herr, verschone uns vor Pest, Hunger und Krieg", lautet die sich mehrfach wiederholende Bitte. Beim Weg durch die Schul- und Schlagbaumstraße wird die Prozession immer länger. In Abständen stimmt der Ortschef mehrere Rosenkranzgesätze an. Die meisten Prozessionsteilnehmer wissen um die Bedeutung dieses Ganges mit innerer Einkehr am Karfreitag. Sie fühlen sich noch heute verpflichtet, das 150-jährige Gelübde zu erfüllen. "Es ist eine gelebte Pflege der Tradition", merkt Carlo Gelzleichter dazu an. Seit rund 70 Jahren ist Christoph Becker schon in der Pilgergruppe vertreten. "Mit fünf, sechs Jahren ist man als Kind früher mitgegangen. Das gehört einfach dazu", meint Becker. Kurz vor neun Uhr und nach einer Wegstrecke von etwa drei Kilometer erreicht die Prozessionsteilnehmer das Seuchenkreuz auf dem kleinen Plateau des 595 Meter hohen Füsselberges. Es ist nicht mehr das gleiche Kreuz, welches die Bauern 1864 aufgerichtet hatten. 1936 ist es erneuert worden, ein weiteres Mal 1959, diesmal aus Stein, soll dadurch noch für lange Zeit dort stehen bleiben. Den Sockel des Pestkreuzes hat ein Bürger bereits mit Blumen geschmückt. "Dafür bedanke ich mich", so Staudt. Vor ihm stehen die Gläubigen im großen Rund: Er stimmt das Lied "Der am Kreuz ist meine Liebe" an. Die Stimmung wird nachdenklicher, die Litanei vom Leiden wird gebetet. In Gebeten gedenken die 200 Pilger der Gefallenen, der Verstorbenen und der Kranken. Dann löst sich die Prozession still auf. Die Menschen marschieren wieder in Richtung Freisen zurück.

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