Der entblößte Bürger

Meinung · Im Namen der Sicherheit ist alles erlaubt. Alle Telefongespräche, alle Mails, alle Bewegungen, alle Kreditkarten-Einkäufe, alle Gesundheitsdaten, alle Buchungen und sogar alle Mahlzeiten im Flugzeug werden erfasst

Im Namen der Sicherheit ist alles erlaubt. Alle Telefongespräche, alle Mails, alle Bewegungen, alle Kreditkarten-Einkäufe, alle Gesundheitsdaten, alle Buchungen und sogar alle Mahlzeiten im Flugzeug werden erfasst. Die jetzt geplanten "Nackt-Scanner" am Airport, die Flugpassagiere praktisch elektronisch entblößen, sind nur sinnfälligster Beleg dafür, dass man uns längst Tag für Tag vor den Augen der Fahnder auszieht. Die Befürworter bemühen das törichte Argument, man lebe besser nackt als gar nicht. Und so haben wir ganz ohne Al Qaida unsere Freiheit, zu tun, zu sein und zu reden, was wir wollen, schon selber fast abgeschafft.Natürlich nützt uns die größte Freiheit nichts, wenn wir Angst um unser Leben haben müssen. Doch die Sicherheitsexperten sind bis heute die Antwort darauf schuldig geblieben, ob die gewaltigen Datensammlungen über alles und jeden wirklich gebraucht werden. Die Menschen sind zu Recht beunruhigt, zumal die Skandale um missbrauchte und verkaufte private Informationen nur belegen, dass trotz hehrer Versprechungen zusätzliche Sicherungen die Daten-Lücken nie wirklich schließen konnten. Das vom Bundesverfassungsgericht einst verbriefte Recht auf "informationelle Selbstbestimmung" ist entleert. Sicherheitsbehörden und Google wissen von manchem Bürger mehr als dessen Ehepartner.

Vor diesem Hintergrund ist die Naivität, mit der die EU-Kommission solche sensiblen Themen behandelt, unverständlich. Der Leichtsinn, mit dem allzu ehrgeizige Innenpolitiker Ideen wie den "Nackt-Scanner" aufgreifen, macht wütend. Weil man sich von den Regierungsmitgliedern, die nicht nur für Sicherheitsfragen, sondern auch für Bürgerrechte zuständig sind, wünschen würde, dass sie zumindest beide Themen gleichwertig behandeln. Dass das nicht der Fall ist, zeigt der Blick nach Europa: Die Vorratsdatenspeicherung wurde im Schweinsgalopp durch alle Instanzen gejagt. Auf die Novelle der Datenschutz-Richtlinie warten die Bürger seit Jahren.

Stattdessen wird die Parole vom "Datenschutz als Täterschutz" ebenso wiederholt wie der Satz "Wer nichts zu verbergen hat, kann sich auch durchleuchten lassen". Genau diese Ansicht entlarvt die völlige Verkehrung des politischen Denkens über die Freiheit des Menschen. Als ob es nicht gute Gründe für jeden gäbe, die intimen Seiten seines Lebens nicht allen offen zu legen. Manchmal träumt man von einer EU-Kommission, die ihre Nähe zum Bürger nicht nur plakatiert, sondern lebt. Dann hätte sie angesichts der neuen Scann-Technik gesagt: Das können und wollen wir unseren Bürgern nicht zumuten.

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