Neue Munition gegen die Rente mit 67

Berlin. Zahlen lügen nicht. Trotz aller Interpretationen kommt die Bundesregierung in der Debatte um die Rente mit 67 nicht an den harten Fakten vorbei. Und die besagen: Auch nach der neuesten Statistik haben nur sehr wenige Menschen nach dem 60. Lebensjahr einen Job

Berlin. Zahlen lügen nicht. Trotz aller Interpretationen kommt die Bundesregierung in der Debatte um die Rente mit 67 nicht an den harten Fakten vorbei. Und die besagen: Auch nach der neuesten Statistik haben nur sehr wenige Menschen nach dem 60. Lebensjahr einen Job. Zudem gibt es nun auch noch den Hinweis, dass keineswegs alle Arbeitnehmer im Durchschnitt immer älter werden, was das Hauptargument für die Anhebung der Altersgrenze war. Vielmehr leben Geringverdiener sogar kürzer als früher. Der für den 1. Januar geplante erste Schritt der Anhebung des Renteneintrittsalters dürfte neue Debatten auslösen.In mehreren Anfragen ermittelte der Renten-Experte der Linksfraktion im Bundestag, Matthias Birkwald, die jüngsten Zahlen des Arbeitsministeriums zur Erwerbstätigkeit von Älteren. Demnach stieg der Anteil der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten im Alter zwischen 60 und 64 Jahren zwar leicht an; die Quote lag im März bei 26,4 Prozent gegenüber 24,9 Prozent ein Jahr zuvor. Vollzeit arbeiteten jedoch nur 18,7 Prozent dieser Altersgruppe (plus 1,1 Punkt). Mit jedem Jahrgang nimmt dabei die Beschäftigung ab: Die 64-Jährigen sind demnach nur noch zu 13,7 Prozent überhaupt und zu 9,3 Prozent voll erwerbstätig. Noch niedriger sind die Quoten der 64-jährigen Frauen: Elf Prozent haben einen Arbeitsplatz, aber nur 5,5 Prozent in Vollzeit.

"Die Rente erst ab 67 ist nach wie vor nichts anderes als eine gigantisches Rentenkürzungsprogramm", sagte Birkwald unserer Zeitung. Seine Fraktion will am Donnerstag im Bundestag den Antrag einbringen, die Anhebung der Altersgrenze sofort auszusetzen und dann schnellstmöglich abzuschaffen. Nach geltender Gesetzeslage wird ab 2012 der Renteneintritt jedes Jahr um einen Monat nach hinten verschoben, beginnend mit dem Jahrgang 1947. Spannend wird sein, ob die SPD im Bundestag dem Antrag zustimmt. Sie hatte in der großen Koalition die Reform zwar mit erfunden, war aber beim jüngsten Parteitag in Berlin davon abgerückt. Der Stufenplan zur Rente mit 67 dürfe erst starten, wenn 50 Prozent der Älteren in Beschäftigung seien, beschlossen die Sozialdemokraten. Bis dahin müsse die Maßnahme ausgesetzt werden. Geht das Tempo der Entwicklung aber so weiter, würde diese Quote erst 2027 erreicht. Birkwald kritisiert: "Ein klares Nein statt schlappen Quoten-Humbugs hätte der SPD gut zu Gesicht gestanden."

Noch ein weiteres Argument lieferte das Arbeitsministerium den Kritikern. Das durchschnittliche Sterbealter von Geringverdienern habe im Jahr 2001 bei etwa 77,5 Jahren gelegen, heißt es in einer Antwort der Bundesregierung auf eine Große Anfrage der Linksfraktion. Im vorigen Jahr wurden Menschen mit kleinen Einkommen nur noch 75,5 Jahre alt. Dass die Rentenbezugsdauer permanent steigt und damit auch die Beiträge klettern, was das eigentliche Motiv der Reform war, liegt gemäß der Statistik ausschließlich an Leuten mit durchschnittlichem oder überdurchschnittlichem Einkommen. In den neuen Ländern war der Verlust an Lebensalter bei den Geringverdienern noch drastischer, das Sterbealter sank von 77,9 auf 74,1 Jahre. Wenn diese Gruppe künftig zwei Jahre länger arbeiten muss, hätte sie also vier bis fünf Jahre weniger von ihrer (mageren) Rente als heute. Vor diesem Hintergrund mache für Geringverdiener auch die Riester-Vorsorge kaum Sinn, meint Birkwald. Er fordert eine Notbremse. "Es ist fünf vor Zwölf."

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