Die Linke streitet über Krieg und Frieden

Berlin · Die Haltung der Linken zu den Fragen von Krieg und Frieden ist eigentlich glasklar: Die Partei lehnt jeden Bundeswehreinsatz im Ausland einmütig ab, das steht sogar im Grundsatzprogramm. Und sie ist strikt für Abrüstung.

Was aber, wenn die Bundeswehr bei der Beseitigung von Massenvernichtungsmitteln im Ausland hilft? Morgen entscheidet der Bundestag über den Einsatz einer Fregatte, die auf dem Mittelmeer einem US-Spezialschiff Schutz geben soll, auf dem syrisches Giftgas unschädlich gemacht wird. Das bringt die Linke schwer in die Bredouille.

Schon vor der gestrigen Fraktionssitzung, auf der über das Abstimmungsverhalten debattiert wurde, ging es hoch her. Vergangene Woche hatte die Abgeordnete Christine Bucholz im Bundestag verkündet, sie werde mit Nein stimmen, denn der Einsatz diene nur der neuen außenpolitischen Strategie der Bundesregierung. Außerdem sei die Bundeswehr für die Absicherung des US-Schiffs "Cape Ray", auf dem im Mittelmeer die syrischen Chemiewaffen unbrauchbar gemacht werden sollen, gar nicht erforderlich, es seien schon andere Kriegsschiffe in der Nähe. Auch die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Sahra Wagenknecht kündigte in einem Interview ihr Nein an.

Der langjährige verteidigungspolitische Sprecher Paul Schäfer, der dem Bundestag nicht mehr angehört, hielt von außen dagegen. In einem öffentlichen Brief schrieb er an die Parlamentarier: Die Linke habe sich immer für die Abrüstung von Massenvernichtungswaffen eingesetzt, und dies sei jetzt eine Abrüstungsmaßnahme. Schäfer wies auch darauf hin, dass die unschädlich gemachten Giftgase vom Mittelmeer anschließend ins niedersächsische Munster gebracht und dort endgültig beseitigt werden sollen, was den Einsatz, teilweise jedenfalls, auch zum Inlandseinsatz macht.

Im Übrigen beruhe die Giftgas-Entsorgung auf einer amerikanisch-russischen Vereinbarung, die einen Militärschlag der Nato auf Syrien verhindert habe. Wenn die Bundeswehr dabei mithelfe, könne das nicht falsch sein. "Wer A sagt, muss auch B sagen", verlangte Schäfer. "Man wird an dieser Stelle nicht mit der Haltung weiterkommen: Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass".

Das möchte ein Großteil der Partei aber. Gregor Gysi schlug vor, die Fraktion solle sich geschlossen enthalten. Der Fraktionsvorsitzende, der an der gestrigen Sitzung wegen eines privaten Termins nicht teilnehmen konnte, hinterließ ein Schreiben an die "lieben Genossinnen und Genossen", in dem es unter anderem hieß, beide Seiten hätten gute Argumente. Sowohl jene, die abrüstungspolitisch argumentierten, also auch jene, die bei den verteidigungspolitischen Grundsätzen bleiben wollen.

Auch der Streit, ob das ein Inlands- oder ein Auslandseinsatz sei, sei "müßig". Mit einer Stimmenthaltung könne man allen Seiten am besten Rechnung tragen. Doch in der Fraktionssitzung gestern Nachmittag prallten die Ansichten teilweise ziemlich emotional aufeinander. Gysis Linie hielt nicht. Das hatte zuvor der stellvertretende Fraktionschef Dietmar Bartsch schon vermutet: "Ich habe da eine gewisse Skepsis, dass wir das hinkriegen." Jetzt darf jeder abstimmen, wie er will.

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