Der beste Garant für Frieden

Lassen wir einmal das Nörgeln. Schieben wir den Ärger über Europa beiseite, so berechtigt er sein mag: der Ärger über ausufernde EU-Bürokratie, Brüsseler Regulierungseifer, ergebnislose Gipfel, gewagte Euro-Rettungsmanöver und mangelnde demokratische Legitimation von Entscheidungen.

Denn angesichts der Kritik wird allzu leicht vergessen, was trotz alledem festzuhalten bleibt: Diese Europäische Union aus 28 Ländern ist das beste Europa, das es je gab. Vor allem aber, das friedlichste.

Um sich das vor Augen zu führen, braucht man nur ein kleines Gedankenexperiment zu machen - das anknüpft an das, was Christen jetzt an Ostern feiern, den Sieg des Lebens über den Tod, die Auferstehung. Stellen wir uns also vor, das Grab eines der Millionen im Ersten Weltkrieg gefallenen Soldaten würde sich auftun und wir hätten einen Tag Zeit, diesen zum Leben Erweckten durch unsere Welt zu führen.

Ich würde mit ihm zuerst über die deutsch-französische Grenze fahren, wo längst keine Schlagbäume mehr stehen. Ich würde Euro-Münzen aus meinem Geldbeutel holen und erklären, dass ich damit in 18 europäischen Ländern bezahlen kann. Ich würde erzählen von dieser Europäischen Union, dass sie im Kern eine Friedens-Gemeinschaft ist, aufgebaut von all jenen Bürgern und Politikern, die nach dem Grauen der beiden Weltkriege genug hatten von nationalem Wahn, nationalsozialistischem Furor und mörderischem Antisemitismus und Rassismu s.

Der Soldat würde staunen, wenn er überhaupt den unglaublichen Wandel begreifen könnte, den Europa nach 1945 und dann nach dem Fall des Eisernen Vorhangs 1989 geschafft hat. Damals - zu Beginn des Ersten Weltkriegs - waren viele überzeugt, dass ein Stahlgewitter nötig sei, damit ein neues Europa entstehen könnte. Sie irrten sich. Denn es folgte auf das massenhafte Töten nach kurzer, krisendurchsetzter Friedenszeit ein noch fürchterlicherer Krieg. Dass sich dann aber endlich die Feinde von einst zusammenschlossen, um ein Europa zu formen, das wie nie zuvor für Freiheit, Toleranz, und Rechtsstaatlichkeit einsteht, muss Menschen aus der Zeit des Ersten Weltkriegs wie ein Wunder vorkommen.

Umso rätselhafter ist, dass heute in vielen Ländern rechtspopulistische, ja sogar rechtsextreme Parteien Zulauf finden, die radikale EU-Skepsis propagieren und auf Abgrenzung setzen - als hätte die Geschichte die zerstörerische Kraft nationaler Egoismen nicht offenbart.

Die jüngsten Ereignisse in der Ukraine zeigen ja aufs Neue, wie nationalistisches Denken Gewalt entfesselt. Zugleich mag angesichts der Ukraine-Krise hoffentlich vielen bewusst werden, was wir an der EU haben: Diese Union ist der beste Garant für Frieden in Europa.

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