Das Schicksal der Verzagten

Ohne Zweifel ist das Wort „Diskriminierung“ ein spannender politischer Begriff. Überall auf der Welt wird diskriminiert: Unter Männern und Frauen, Heteros und Homos, Weißen und Farbigen, Inländern und Ausländern.

Auch die Sozialdemokraten in Deutschland werden offenbar diskriminiert, seit Jahren schon. Sie geben sich so viel Mühe, kümmern sich um die Mühseligen und Beladenen, strampeln sich ab - doch die Bürger reagieren mit Desinteresse. Was immer die SPD tut, sie kommt aus dem 25-Prozent-Ghetto nicht heraus. Wenn das keine Diskrimierung ist!

Glaubt man den Zahlen der Demoskopen und den Recherchen des "Spiegel", dann erwächst aus dem Frust über den Stillstand nunmehr Ärger. Der Unmut der Genossen sucht sich ein Ventil, die entweichende Luft pfeift dem Vorsitzenden direkt ins Gesicht. Sigmar Gabriel, der die enormen Fliehkräfte der Zwei-Flügel-Partei immerhin gebändigt hat, verkörpert das Dilemma der SPD: Schon der Wahlkampf war nicht sexy, das Ergebnis hat es gezeigt. Auch jetzt beschäftigt man sich vor allem mit Themen, die nach Schweiß riechen: Mindestlohn, Mini-Jobs, Renteneintrittsalter. Das ist gut, aber nicht gut genug.

Die älteste Partei Deutschlands hat auch nicht verstanden, wo ihr Kernproblem liegt - nämlich bei der CDU. Das ist der Unterschied: Hier das Kuckuck-Phänomen namens Angela Merkel, die ihre Minister fleißig arbeiten lässt und sich mit deren Federn schmückt. Dort das emsige SPD-Team, das stets den Eindruck vermittelt, die Rettung der Welt und soziale Gerechtigkeit gelinge am besten, wenn man ganz doll eifrig ist und auch dem letzten Zuwanderer ein Integrationsprojekt anbietet. Dieser Grundirrtum lässt die Genossen blind werden für strategische Ziele und politische Schachzüge. Die Bürger wollen und brauchen aber keine Utopisten, sondern schlichte Interessenvertreter. Jemanden, der ihren Wohlstand wahrt, der für Ruhe sorgt und keine Experimente macht. Aus diesem simplen Rezept leitet sich Merkels Erfolg ab. Dass die Kanzlerin seit fast neun Jahren regiert, ohne auch nur ein einziges eigenes Projekt in die Wege geleitet zu haben, sagt alles. Aus machtpolitischer Sicht müsste die SPD Merkel eigentlich vom Thron schubsen, die linke Mehrheit dafür ist da. Doch statt die Verkrustung aufzubrechen, liefert sie der Kanzlerin zu.

Aus all dem folgt die logische Konsequenz, dass die SPD auf unabsehbare Zeit der brave Juniorpartner oder Opposition bleibt und schwermütig über sich selbst lamentiert. Das ist das Schicksal der Verzagten. Solange die Partei den Mut vermissen lässt, neue Wege zu gehen oder sich bei einem globalen Spitzenthema wie dem NSA-Skandal zu profilieren, wird sie auch bei der Generation Facebook auf taube Ohren stoßen.

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