"Wir müssen lernen, besser mit Kritik umzugehen"

Die Linke hat bei der Landtagswahl fünf Prozentpunkte im Vergleich zu 2009 verloren. Gleichzeitig haben die Piraten den Einzug in den Landtag geschafft. Hängt beides ein Stück weit miteinander zusammen?Bierbaum: Die Erfolge der Piraten zeigen, dass es in der Politik heute nicht nur um Inhalte geht, sondern auch darum, wie Politik gemacht wird. Die Menschen wollen beteiligt sein

Die Linke hat bei der Landtagswahl fünf Prozentpunkte im Vergleich zu 2009 verloren. Gleichzeitig haben die Piraten den Einzug in den Landtag geschafft. Hängt beides ein Stück weit miteinander zusammen?Bierbaum: Die Erfolge der Piraten zeigen, dass es in der Politik heute nicht nur um Inhalte geht, sondern auch darum, wie Politik gemacht wird. Die Menschen wollen beteiligt sein. Darauf müssen wir reagieren. Wir brauchen eine neue politische Diskussionskultur.

Was meinen Sie damit?

Bierbaum: Wir müssen lernen, besser mit Kritik umzugehen. Wer beispielsweise Kritik an der Parteiführung äußert, darf nicht gleich abgestempelt werden. Natürlich hatten wir in der Vergangenheit auch einige eher eigenwillige Parteimitglieder, die jetzt nicht mehr dabei sind. Wir haben jedoch auch Leute verloren, die ich da ausdrücklich nicht dazu rechnen würde, etwa diejenigen, die in Wiebelskirchen ausgetreten sind. Die größte Gefahr für uns sehe ich darin, dass sich immer mehr Leute zurückziehen und es zu einem schleichenden Erosionsprozess kommt.

Es gibt linke Kommunalpolitiker, die sich mehr Unterstützung vom Landesvorstand wünschen. Zu Recht?

Bierbaum: Das ist in der Tat ein Problem, und da muss von Seiten des Landesvorstands mehr getan werden. Zu viele Mandatsträger von uns auf der kommunalen Ebene fühlen sich in ihrer Arbeit von der Landespartei nicht ausreichend unterstützt. Wir benötigen zudem mehr öffentliche Veranstaltungen, etwa zur Eurokrise, und zwar nicht nur anlässlich von Wahlkämpfen. Nicht mit Referenten, die Monologe halten, um die Leute zu belehren, sondern in Form einer Debatte, die durchaus kontrovers sein soll.

Ist die Saar-Linke nicht auch in den Betrieben zu wenig präsent? Wo sind - von Parteichef Rolf Linsler einmal abgesehen - die prominenten Gewerkschafter in Ihren Reihen?

Bierbaum: Es gibt in den Betriebsräten größerer Unternehmen im Saarland viele Mitglieder unserer Partei, teilweise auch in leitender Funktion. Aber es reicht eben nicht aus, alle paar Jahre anlässlich von Wahlkämpfen die Unterstützung von dort abzurufen. Wir müssen die Leute, die in Betrieben und Gewerkschaften aktiv sind, auch weit mehr als bisher in die Parteiarbeit einbeziehen.

Wieso klappt das bisher nicht? Sie haben doch eine Landesarbeitsgemeinschaft Betrieb und Gewerkschaft.

Bierbaum: Das ist auch so ein Punkt. Wir müssen unsere Landesarbeitsgemeinschaften mit Leben erfüllen. Das geht aber nur, wenn die Menschen, die dort mitmachen, sehen, dass sie durch ihre Mitarbeit etwas bewegen können. Leider gelten wir inzwischen - obwohl wir das nicht sind - als eine Partei der alten Männer. . .

. . . zumal Ihr Landesvorsitzender Rolf Linsler nicht mehr der Jüngste ist.

Bierbaum: Rolf Linsler hat sich beim Aufbau der Partei nach dem Zusammenschluss von PDS und WASG zur Linken große Verdienste erworben. Zudem haben wir auch etliche junge Leute in unseren Reihen. Denken Sie etwa an die stellvertretende Landesvorsitzende Sandy Stachel. Ich bin allerdings entschieden der Auffassung, dass Leute wie sie künftig eine wichtigere Rolle in der Parteiarbeit spielen müssen.

Und welche Rolle wird Oskar Lafontaine künftig spielen? Hat sich die Frage, ob er Spitzenkandidat im Bundestagswahlkampf 2013 wird, durch seinen Verzicht auf die Führung der Bundespartei erledigt?

Bierbaum: Oskar Lafontaine wird Fraktionschef im Saarland bleiben. Und ich hoffe inständig, dass er auch in der Bundespartei weiter eine sehr wichtige Rolle spielen wird. Welche konkret das sein wird, müssen wir sehen. Dass wir jemanden wie ihn haben, hat uns in der Vergangenheit viel mediale Aufmerksamkeit beschert, ohne die die Linke nie so stark geworden wäre, wie sie es immer noch ist. Aber sein Charisma hat auch Defizite der Partei verdeckt. Die müssen wir jetzt aufarbeiten.Foto: Becker & Bredel

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