Wie Blinde wieder sehen sollen

Sulzbach · Umrisse und Kontraste wieder erkennen können – für blinde Menschen wäre das ein großer Fortschritt. An der Augenklinik in Sulzbach wurde nun erstmals im Saarland einer Patientin eine Sehprothese eingesetzt, die das ermöglichen soll.

 Marita Backes und Chefarzt Professor Peter Szurman bei einer Nachuntersuchung. Foto: Knappschaftsklinikum

Marita Backes und Chefarzt Professor Peter Szurman bei einer Nachuntersuchung. Foto: Knappschaftsklinikum

Foto: Knappschaftsklinikum

Marita Backes ist seit vier Jahren vollständig blind. Doch sie wird bald wieder sehen können - zwar nur schemenhaft, aber das wird ihr den Alltag deutlich erleichtern. Was sich wie eine Utopie anhört, ist am Knappschaftskrankenhaus Sulzbach Realität geworden. Dort wurde der 70-Jährigen vor gut einer Woche eine neuartige Sehprothese eingesetzt. Backes ist damit die Erste im Saarland und die 17. in ganz Deutschland - "ein Meilenstein", wie Professor Peter Szurman, Chefarzt der Augenklinik, sagt. Seit Jahrzehnten forscht er mit an der Prothese, die Blinden wieder zum Sehen verhelfen soll.

Doch nicht für alle Blinden kommt die Argus-II-Prothese in Frage. Sie wurde für Menschen entwickelt, die an einer Netzhaut-Degeneration (Retinitis pigmentosa, RP) leiden, bei der die Zellen der Netzhaut langsam absterben - eine seltene Erbkrankheit, an der jährlich etwa 500 Menschen in Deutschland erkranken, für die es jedoch bislang kein Heilmittel gab. Das soll sich nun mit der Prothese ändern. Diese wird operativ an der Netzhaut befestigt. Die Bilder einer Mini-Kamera in der Brille des Patienten werden in elektrische Impulse umgewandelt, die dann drahtlos an 60 Elektroden auf der Netzhaut übertragen werden. So werden die Nervenzellen der Netzhaut gereizt, wodurch der Patient Lichtmuster wahrnimmt. 80 000 Euro kostet der Eingriff, die Kosten werden von der Krankenkasse übernommen. Allerdings kommt nicht jeder RP-Patient für eine solche OP in Frage. Bei einer Vorab-Prüfung an der Klinik in Sulzbach schieden fünf von acht Patienten aus. Nur wer eine schwere Degeneration der Netzhaut aufweist, ansonsten aber gesund ist, ist geeignet. "Man muss auch eine gewisse Neugier mitbringen und das wirklich wollen", betont Szurman. Denn das künstliche Sehen muss erst gelernt werden, da die Patienten die Lichtmuster anfangs nicht deuten können - und das kann bis zu zwei Jahre dauern. Backes brachte die richtige Einstellung mit: "Ich dachte, blind bin ich ohnehin. Wie sollte das noch schlimmer werden?" Sehen kann sie eine Woche nach der OP noch nicht, da die Spezialbrille erst noch angepasst werden muss, aber sie sagt: "Ich bin neugierig auf das, was kommt."

Rund 50 Patienten in Deutschland kommen pro Jahr für den Eingriff in Frage. Nicht viele Kliniken können die OP durchführen, damit könnte Sulzbach zentrale Anlaufstelle für den Südwesten Deutschlands und Luxemburg werden.

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