Vertreiben Windräder Touristen?

Saarbrücken · Der geplante Windpark an der Skulpturenstraße „Steine an der Grenze“ ist zum landespolitischen Streitfall geworden. Nimmt dort ein hochrangiges Ausflugs- und Erholungsgebiet Schaden?

Beste Radfahr- und preisgekrönte Wanderwege - das sind, neben der Kulinarik, die Marketingschwerpunkte der landeseigenen Tourismuszentrale Saarland (TZS). Angesichts der mittlerweile rund 50 Windpark-Projekte im Land müsste TZS-Leiterin Birgit Grauvogel zunehmend schlecht schlafen. Doch das tut sie nicht. Sie sagt: "Die Touristiker beschäftigen sich bundesweit schon lange mit dem Thema. Aber es gibt bisher noch keine belastbaren Daten aus Umfragen unter Wander- und Naturtouristen, inwieweit Windräder eine abschreckende Wirkung ausüben." Im Gegenteil: Der bisherige Austausch unter Fachkollegen lasse den Rückschluss zu, dass die Bevölkerung Windkraft prinzipiell befürworte und deshalb veränderten Landschaftsbildern mit Toleranz begegne. Ablesbar sei zudem die Tendenz, dass jüngere Menschen weniger ablehnend reagierten als ältere. Grauvogel hält Gewöhnungsprozesse für wahrscheinlich. "Ich kann nicht belegen, dass in fünf Jahren weniger Touristen ins Land kommen, weil hier Windräder stehen." Dies dürfte nicht wenige Windkraft-Gegner überraschen, die allerorten, hauptsächlich im Bliesgau, mit dem Argument in die Debatte ziehen, die Windräder seien Attraktivitäts-Killer.

Freilich sagt Grauvogel auch: "Der Dreiklang aus Höhe, Anzahl und Entfernung der Windräder dürfte bei der Akzeptanz die entscheidende Rolle spielen. Windkraft an sich ist nicht das Problem. Aber wenn die Optik zu massiv wird, wird dies sicher als Beeinträchtigung der touristischen Qualität empfunden."

Wie sieht Grauvogel die Situation beim aktuell heftig diskutierten Streitfall um die Aufstellung von Windkraftanlagen beim Kunstprojekt "Steine an der Grenze" auf dem Saargau? Die Skulpturenstraße sei eine "gelungene Inszenierung", meint die TZS-Chefin, besitze ein "eigenes Flair". Trotzdem zähle der Steine-an-der-Grenze-Abschnitt in der Merziger Wander- und Radfahrer-Gegend nicht zu den touristischen Topzielen wie die Premiumwanderwege. Es sei keine nennenswerte gezielte Nachfrage für die Skulpturenstraße erkennbar. Tatsächlich werben - so SZ-Recherchen - weder die TZS, der Landkreis Merzig noch die Stadt Merzig offensiv für "Steine an der Grenze". Aufwertungs- und Optimierungsstrategien wie etwa Führungen mit Künstlern oder Themen-Feste gab und gibt es kaum.

Ist "Steine an der Grenze" aus Sicht der Touristik-Fachfrau also ein eher niedrigrangiger Einzelfall und sonst alles in Ordnung im Windkraft-Land Saar? "Ich kenne das planerische Vorgehen in diesem konkreten Fall nicht," sagt Grauvogel, "aber ein Fall wie ‚Steine an der Grenze' sollte in Zukunft unbedingt vermieden werden." Sie plädiert generell für eine bessere Vorbereitung bei der Standortwahl und verweist auf das gute Beispiel Regionalverband. Dort arbeite man mit dreidimensionalen Visualisierungen (Landschaftsbildanalyse), um Kommunalparlamenten und Bürgern vor Augen zu führen, wie sich ihr Umfeld verändert. Denn der freie Aus- und Fernblick, das will sie nun doch nicht bezweifeln, die besäßen nun mal hohes touristisches Potenzial.

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