Müller schießt sich auf Lafontaine ein

Kirkel. Es war eine Ein-Mann-Show, die sich da am Samstag auf dem CDU-Parteitag in der Kirkeler Burghalle abspielte. Im Mittelpunkt, wie sollte es anders sein, Ministerpräsident Peter Müller, der mit überwältigender Mehrheit als Parteichef bestätigt wurde. Müller erhielt 390 von 395 abgegebenen gültigen Stimmen - ein Zustimmungsgrad von 98,7 Prozent

Der vielumjubelte alte und neue Vorsitzende der Saar-CDU auf dem Landesparteitag in der Kirkeler Burghalle. Foto: Becker & Bredel

Der vielumjubelte alte und neue Vorsitzende der Saar-CDU auf dem Landesparteitag in der Kirkeler Burghalle. Foto: Becker & Bredel

Kirkel. Es war eine Ein-Mann-Show, die sich da am Samstag auf dem CDU-Parteitag in der Kirkeler Burghalle abspielte. Im Mittelpunkt, wie sollte es anders sein, Ministerpräsident Peter Müller, der mit überwältigender Mehrheit als Parteichef bestätigt wurde. Müller erhielt 390 von 395 abgegebenen gültigen Stimmen - ein Zustimmungsgrad von 98,7 Prozent.

Zuvor hatte Müller vier Minuten lang stehende Ovationen und rhythmisches Klatschen von der Basis für eine Rede geerntet, die fast nur ein Thema kannte: den Anspruch seines Vorvorgängers als Ministerpräsident, Oskar Lafontaine, sein Amtsnachfolger zu werden. Eine Stunde und 37 Minuten lang arbeitete sich Müller an seinem großen Gegenspieler ab, den er "den Trickbetrüger der deutschen Politik" nannte. SPD-Vormann Heiko Maas kam nur einmal vor - als Müller dessen Aussage anzweifelte, nur mit Maas als Regierungschef komme eine Linksallianz in Frage. Dazu Müller: "Das ist so, als ob jemand sagen würde: Ich werde nur katholisch, wenn ich selbst Bischof werde. Ansonsten bleibe ich lieber evangelisch."

"Keine Experimente"

Müller warnte vor einer rot-rot-grünen Koalition: "Wenn die nur eine Stimme Mehrheit haben, dann wird das auch gemacht." Dann werde aus Heiko Maas "Heiko Ypsilanti" und aus dem Chef der Saar-Grünen, Hubert Ulrich, "Hubert Al-Wazir", so Müller unter Anspielung auf die Chefs von SPD und Grünen in Hessen, Andrea Ypsilanti und Tarek Al-Wazir. "Jede Stimme für Rote, Dunkelrote und Grüne" sei eine Stimme für Lafontaine. Dem sei es "wurscht", wer unter ihm Regierungschef werde, er ziehe dann die Fäden im Hintergrund "aus seinem Palast der sozialen Gerechtigkeit".

Der alte und neue CDU-Chef stilisierte die Landtagswahl 2009 zur Richtungsentscheidung zwischen einer sozialen Marktwirtschaft und einem "sozialistischen Experiment mit garantiert schlechtem Ausgang". Das Saarland brauche "Schaffer" und keine "Praddler", sagte Müller. Keinesfalls benötige es "Egomanen, denen es nur um sich selbst" gehe.

Müller ging auch auf die jüngsten Preissteigerungen und die internationale Finanzkrise ein. Was viele bisher als sicher eingeschätzt hätten, gerate nun ins Wanken. Diese Verunsicherung sei eine Ursache für die "Veränderungen in der Parteienlandschaft", eine andere sei der "desolate Zustand der SPD".

Das ermögliche es Lafontaine, "ein übelriechendes Gebräu aus Populismus und Sozialismus anzurühren". 70 Prozent der Mitglieder der Linken seien "alte SED-Kader". Es müsse verhindert werden, "dass jene, die die DDR ruiniert haben, in Deutschland wieder politische Verantwortung übernehmen".

Wenn Lafontaine Familienunternehmen wie Schaeffler oder Villeroy & Boch enteignen wolle, dann sei das "Klassenkampf und Kommunismus pur". Den Delegierten rief der CDU-Landeschef unter tosendem Applaus zu: "Finger weg von dieser Partei, sie führt unser Land in den Abgrund!" Der Sozialismus gehöre "auf den Müllhaufen der Geschichte".

Um den Delegierten dies auch möglichst eindrücklich vor Augen zu führen, hatte die Parteiführung eigens den Stimmenimitator Christof Scheid engagiert, der mit hellem Hut, dunkler Hornbrille und hochgereckter Faust Erich Honecker parodierte. Der vermeintlich wiederauferstandene Honecker nannte "Oskar" vor den restlos begeisterten Delegierten in der Kirkeler Burghalle seinen "Enkel" und seine "Hoffnung". Ihm traue er zu, "das Saarland dorthin zu bringen, wo ich meine geliebte DDR hingebracht habe".

Da geriet es beinahe zur Nebensache, dass Peter Jacoby, Klaus Meiser, Annegret Kramp-Karrenbauer, Daniela Schlegel-Friedrich und Peter Altmeier jeweils mit komfortablen Mehrheiten zu Müllers Stellvertretern gewählt wurden. Ferner beschlossen die Delegierten Anträge, in denen verlangt wird, die Alterseinkommen von Geringverdienern "armutsfest" zu machen sowie die Steuer- und Abgabenbelastung der Arbeitnehmer deutlich zu senken.

Opposition vermisst klare Zukunftsperspektiven


Saarbrücken.
Die Opposition hat mit Kritik auf die Ergebnisse des CDU-Parteitags reagiert. SPD-Generalsekretär Reinhold Jost erklärte, er habe nur "hilflose Rechtfertigungen" für Fehler in der Bildungs- und Wirtschaftspolitik vernommen. CDU-Chef Peter Müller habe nicht mehr die Kraft, das Land in eine gute Zukunft zu führen.

Linken-Chef Rolf Linsler erklärte, angesichts der "bevorstehenden Wahlniederlage der CDU" verliere Müller die Kontrolle über seine Redebeiträge - frei nach dem Motto: "Das Pöbeln ist des Müllers Lust." FDP-Chef Christoph Hartmann sagte, Müller versuche sich als "Sozialisten-Stopper" darzustellen, obwohl er genau wisse, dass seine Partei alleine keine Mehrheit im Landtag erringen werde. Eine Koalitionsaussage bleibe er aber schuldig.  Ähnlich äußerte sich Grünen-Landeschef Hubert Ulrich, nach dessen Meinung "die jetzt dargebotene Show 'Peter Müller gegen den Rest der Welt' den sich abzeichnenden schwierigeren politischen Verhältnissen" nach der Wahl "nicht gerecht wird". nof "

Meinung

Duell der Populisten

Von SZ-Redakteur

Norbert Freund

Ein Populist ist laut Duden jemand, der sich betont "volksnah" gibt und versucht, "durch Dramatisierung der politischen Lage die Gunst der Massen zu gewinnen". Definiert man es so, ist nicht nur Oskar Lafontaine, sondern auch Peter Müller ein Populist - und ein begnadeter noch dazu, wie seine fulminante Parteitagsrede gezeigt hat.

"Erich Honecker" alias Christof Scheid in Kirkel. Foto: bub

"Erich Honecker" alias Christof Scheid in Kirkel. Foto: bub

Fragt sich nur, ob Müller mit der Zuspitzung auf ein Duell mit Lafontaine die Landtagswahl gewinnt. Denn diese Zuspitzung ist die beste Garantie für eine hohe Wahlbeteiligung - was Müller mit dem Auseinanderziehen der Termine für Bundes- und Landtagswahl doch gerade verhindern wollte. Lafontaine dürfte dabei - anders als Müller und Heiko Maas - auch viele Politikverdrossene auf seine Seite ziehen, die sonst entweder gar nicht oder NPD wählen würden. Genau das könnte am Ende den Ausschlag zu Lasten von Peter Müller geben.

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