Karfreitag: täglich und überall

Viele Christen weltweit gedenken am Karfreitag des Leidens und der Kreuzigung Jesu. Hat dieses Ereignis für unser Leben und unseren Glauben heute noch eine Bedeutung? Ja, denn Karfreitag findet immer noch täglich und überall statt.

Auf der Welt leiden Millionen von Menschen und ihr psychisches und physisches Überleben ist durch Kriege, Hunger, Krankheit, Armut und Ausgrenzung bedroht. Jesus wird dazu verurteilt, sein Kreuz zu tragen, er bricht mehrmals darunter zusammen, wird seiner Kleider beraubt, erfährt nur wenig Hilfe und Unterstützung und muss schließlich am Kreuz sterben. Sein Tod sollte in der Öffentlichkeit abschreckende Wirkung haben. Auch in Deutschland müssen zahlreiche Menschen ein schweres Kreuz tragen. Arbeitslosigkeit, schlechte Lebensbedingungen, mangelnde Inklusion oder Armut belasten viele Menschen. Gleichzeitig werden sie durch Vorurteile abgewertet, abgestempelt und schuldig gesprochen. Armut wird als Drohung für die genutzt, die noch nicht arm sind. Dies sind leider keine Schicksalsschläge, die Menschen zufällig treffen, sie sind von Menschen gemacht. Auch Jesus wurde nicht zufällig ausgewählt. Er hat sich couragiert auf die Seite der Armen gestellt, hat die enge Gesetzestreue vieler Pharisäer kritisiert, er hat Menschen begeistert, er hat das Reich Gottes und damit eine neue, gerechte Gesellschaft versprochen und wurde so im damaligen religiösem und politischen System als Bedrohung empfunden. Jesus stirbt, um die Menschheit zu retten. Er ist bereit, Leid auf sich zu nehmen und stellt sich damit auf eine Stufe mit anderen Leidenden. Bei uns müssen Menschen zugunsten von Geld leiden, weil man ihre Menschenwürde nicht achtet, indem man ihnen etwa einen Existenz sichernden Mindestlohn mit Verweis auf die wirtschaftliche Lage des Landes verweigert, indem man Alte, Kranke und Menschen mit Behinderungen aus finanziellen Erwägungen im Minutentakt pflegt oder indem man für sogenannte Armutsflüchtlinge in unserer Wohlstandsgesellschaft keinen Platz hat. Pilatus wäscht seine Hände in Unschuld. Waschen wir, denen es gut geht, unsere Hände auch in Unschuld? Denn wir können ja nichts dafür, dass Menschen weltweit hungern! Oder sollten wir doch einmal darüber nachdenken, wie auch wir nachhaltiges und soziales Wirtschaften unterstützen können? Muss es immer das billigste T-Shirt sein, das unter menschenverachtenden Bedingungen in Bangladesh hergestellt wurde? Mit dem Tod Jesu ist nicht alles aus, es geht weiter. Seine Auferstehung bringt neues Leben, Hoffnung und Zuversicht. Gibt es auch heute Hoffnung für die Leidenden? Wer garantiert die Hoffnung in unserer Gesellschaft? Es sind die zahlreichen Menschen, die sich für die einsetzen, deren Wohl gefährdet ist. Es sind aber auch die Politikerinnen und Politiker, die nicht aufhören, an soziale Gerechtigkeit zu glauben und dafür zu kämpfen. Es sind die Kirchen, die für die Menschen am Rande da sind. Die Wohlfahrtsverbände stellen sich an die Seite der armen und benachteiligten Menschen, beraten und begleiten sie und begegnen ihnen auf Augenhöhe. So geben sie den Benachteiligten ihre Menschenwürde zurück. Und es ist der neue Geist in der Katholischen Kirche, der durch Papst Franziskus weht mit der Aufforderung, sich den Armen und Benachteiligten zu zuwenden.

Lydia Fried ist Sozialarbeiterin in der Caritas-Gemeinwesenarbeit Friedrichsthal und Mitglied der Synode des Bistums Trier.

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