„Große Sorge um das Saarland“

Saarbrücken · In Briefen an die Landesregierung und den Landtag haben sich die Spitzen der saarländischen Justiz zu Wort gemeldet. Sie warnen vor „großen Risiken“ für das Land, wenn es die Juristen-Ausbildung an der Uni aufgäbe.

Gerichtspräsidenten meiden in aller Regel das Licht der Öffentlichkeit, schon gar nicht melden sie sich in politischen Streitfragen zu Wort. So gesehen hat sich im Saarland gerade etwas sehr Ungewöhnliches zugetragen. "Mit großer Sorge um das Saarland und seine jungen Bürger" haben sich die Präsidenten des Finanzgerichts (Professor Peter Bilsdorfer), des Landesarbeitsgerichts (Josef Dier), des Landessozialgerichts (Konrad Betz), des Oberverwaltungsgerichts (Michael Bitz) und des Saarländischen Oberlandesgerichts (Professor Roland Rixecker) sowie Generalstaatsanwältin Margot Burmeister in einem Brief an Landtagspräsident Hans Ley und Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer (beide CDU) gewandt. Darin warnen sie vor einer Aufgabe der Juristen-Ausbildung an der Saar-Uni, wie sie der Wissenschaftsrat empfohlen hatte (die SZ berichtete).

"Das Saarland würde dadurch zum einzigen Bundesland ohne eigenständige juristische Ausbildung", schreiben die Juristen. Viele qualifizierte junge Menschen gingen dem Saarland so verloren. In ihrem vierseitigen Brief greifen sie direkt die Argumentation des Wissenschaftsrates an. Das Gremium hatte unter anderem auf einen geringen Nachwuchsbedarf bei Gerichten und Staatsanwaltschaften im Saarland hingewiesen und ein bundesweites Überangebot von Juristen ausgemacht. Zudem habe "die vormals hohe Strahlkraft der Rechtswissenschaft am Standort nachgelassen" - ein Argument, über das sich Jura-Professoren auch Monate nach Veröffentlichung des Papiers noch echauffieren, auch weil der Wissenschaftsrat jeden Beleg für diese These schuldig bleibt. Die Präsidenten der oberen Landesgerichte und die Generalstaatsanwältin stellen nun fest: "Die wissenschaftliche Reputation der Abteilung Rechtswissenschaft steht außer Frage. Ihre Ausbildungsleistungen sind hoch angesehen." Sie weisen auch auf das besondere deutsch-französische und europäische Profil des Faches hin. Wenige Universitäten könnten sich zudem rühmen, die Lehre über ehrenamtliche Lehrbeauftragte derart stark mit der Praxis zu verzahnen.

Die Gerichtspräsidenten und die Generalstaatsanwältin heben hervor, wie wichtig es sei, dass bei den Gerichten und der Staatsanwaltschaft des Landes junge Menschen tätig sind, die dem Saarland durch ihre Ausbildung in Saarbrücken verbunden sind. "Es wäre ein großes Risiko für das Land, sie künftig woher auch immer anwerben zu müssen." Die Vertreter der Justiz fürchten auch, dass ohne juristische Ausbildung im Saarland der Bedarf an Verwaltungsbeamten, Anwälten, Notaren oder Wirtschaftsjuristen von außerhalb gedeckt werden müsse. "Bei lebensnaher Betrachtung", so die Juristen, sei zu erwarten, dass die besten Absolventen anderer Universitäten dann nicht ins Saarland kämen. Der Vorschlag des Wissenschaftsrats, trotz eines Verzichts auf die grundständige Juristen-Ausbildung einzelne Bereiche wie die Rechtsinformatik oder das Europa-Institut zu erhalten, sei zudem "lebensfremd".

Staatskanzlei-Sprecherin Marlene Mühe-Martin sagte zu dem Appell der Justiz-Vertreter, man nehme "alle Stimmen, die sich kritisch oder zustimmend zu Wort melden, ernsthaft zur Kenntnis". Das Gutachten des Wissenschaftsrates sei "eine gute Diskussionsgrundlage und eine wichtige Entscheidungshilfe" für künftige Weichenstellungen. Sie ergänzte: "Hinsichtlich seiner Empfehlungen gab es für den Wissenschaftsrat kein Denkverbot. Ebenso wenig gibt es für die Landesregierung ein Befolgungsgebot." Bis zur Sommerpause sollen Eckpunkte für die Hochschullandschaft stehen. In der großen Koalition wird zurzeit nach einer Lösung gesucht, wie die Juristen-Ausbildung erhalten bleiben kann - allerdings mit Einsparungen. Diskutiert wird dabei auch über Vorschläge des Strafrechtlers Professor Egon Müller und des Uni-Dekans Professor Stephan Weth. Sie hatten angeregt, durch eine Verkürzung der Studiendauer Kosten zu sparen und durch Weiterbildungsangebote mehr Geld einzunehmen.

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