Ehrliche Meinung, falsche Kritik

Im Saarland ist gerade zu beobachten, was bei einer großen Koalition in Berlin drohen könnte: Politische Langeweile. Die Saar-Opposition ist klein und schwach, man hört nicht allzu viel von ihr.

Nicht mal der deftige Familienstreit, den die SPD wegen der Steuer-Volte der CDU-Ministerpräsidentin vom Zaun gebrochen hat, wurde wirklich genutzt. Und wer sich als Regent so sicher fühlen kann, der muss wohl selbst Kritikaster werden. Wie der Abgeordnete Sebastian Thul aus Neunkirchen, der sich mit dem Amt eines "gleichstellungspolitischen Sprechers der SPD-Landtagsfraktion" schmücken darf. Jetzt wissen wir auch, was so ein Mensch macht: Per "Medien-Info" wies Thul Mitte der Woche den 17-jährigen Landesschülersprecher Florian Weimann zurecht. Dabei hatte der junge Mann in unserer Zeitung nur offen und ehrlich die Meinung vertreten, er wünsche sich eine pädagogische Fachkraft für den Sexualunterricht an Schulen. Und keine Vertreter von Lesben und Schwulen.

Rätselhaft, was daran falsch sein soll. Ex-Jusochef Thul, mit 33 Jahren selbst noch relativ jung, hat sich in seinem Gleichstellungseifer vergaloppiert: Anstatt den Schülersprecher Weimann zu loben für sein erstaunlich kluges und souveränes Interview zu einem sehr sensiblen Thema, bemäkelte Thul im Namen der gesamten Landtagsfraktion Weimanns Aussage. Dabei gibt es in dieser Frage überhaupt nichts gleichzustellen: Schülerinnen und Schüler haben Anspruch auf neutrale Wissensvermittlung durch geschulte Lehrerinnen und Lehrer. Interessenverbände haben an Schulen nichts verloren.

In dieser Woche hat sich die saarländische FDP wieder zu Wort gemeldet. FDP - wer ist das noch mal? Aber nein, wir wollen uns hier nicht einreihen in die Riege der selbstgerechten Kritiker, die jetzt Hohn und Spott über die Wahlverlierer ausgießen. Zumal viele Liberale ihre Lektion gelernt haben, wie auch der Landesvorsitzende Oliver Luksic: Selbstkritisch und ohne Larmoyanz hat der abgewählte Abgeordnete (feierte am Mittwoch 34. Geburtstag) die triste Lage seiner ausgemusterten Partei analysiert und die einzig senkrechte Losung ausgegeben: "Jetzt erst recht!"

Nun denn, die anspruchsvolle Aufgabe, aus einem dezimierten Haufen frustrierter "Mövenpick-Freunde" wieder ein schlagkräftige Formation freier Demokraten zu machen, die Politik im Geiste von Theodor Heuss und Karl Hermann Flach verstehen, nötigt jedenfalls Respekt ab. Einen Hoffnungsschimmer sieht Luksic in der Europawahl im kommenden Jahr, bei der nur die Drei-Prozent-Hürde gilt. Wenn es ihm tatsächlich gelingen sollte, die lädierte Partei durch das Jammertal wieder zu neuen Höhen zu führen, hätte er sich ein Denkmal verdient.

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