Behutsamer Umgang mit einem heiklen Kapitel

Gravelotte · Auf den ersten Blick wirkt das neue Museum mit 600 Exponaten in Gravelotte nahe Metz ein wenig spröde. Doch selten wurde die Geschichte des Deutsch-Französischen Krieges von 1870/71 so ausgewogen erklärt.

Nachtschwarz ist der Raum, der den Besucher auf die Welt des Krieges einstimmt. Wie in Blut getränkt schimmern in kleinen Vitrinen geborstene Granaten, ein von Gewehrkugeleinschlägen übersäter französischer Brustpanzer (Kürass). Und eben jene preußische "Trompete von Gravelotte", die den zum Hurra-Patrioten mutierten Ferdinand Freiligrath zu seinem gleichnamigen Gedicht inspirierte, das von Tapferkeit, vor allem aber von Leid und Tod erzählt.

Kein Wunder, dass hier die Fotoapparate wie wild klicken, ist dies doch der einzige Raum, den die Ausstellungsmacher des "Museums des Krieges von 1870/71 und der Annexionszeit" dramatisch, emotional inszenierten. Nein, das neue Musée départemental in Gravelotte mit seiner Dauerausstellung und 600 Exponaten auf 900 Quadratmetern ist kein Erlebnis- oder gar Mitmach-Museum, das seinen Besuchern nahebringen will, wie sich Krieg anfühlt. Es gibt sich eher spröde.

Die Präsentation im größten Raum, der den Verlauf des Kriegsgeschehens chronologisch nachzeichnet, vom ersten Scharmützel Napoleons in Saarbrücken bis zum Frieden von Frankfurt, wirkt auf den ersten Blick recht traditionell. Dominiert von unzähligen pittoresken Uniformen nebst Waffen in Vitrinen, dazu in Kabinetten Kriegsmalerei in Goldrahmen. Man muss schon bereit sein, sich hineinzuknien wie in etwas trockenen Geschichtsunterricht, bereit sein, sehr viel Text zu lesen. Der ist - ein lobenswertes Novum in Frankreich - konsequent auch auf Deutsch und Englisch, wenngleich wegen der Übersetzung aus dem Französischen nicht immer einfach zu verstehen.

Lohnt sich die Mühe? Ja. Was man hier über den Deutsch-Französischen Krieg und seine weitreichenden Auswirkungen erfährt, ist auf dem neuesten Stand der Forschung. Wohl noch nie wurde in einem französischen historischen Museum der deutsche Blickwinkel auf die Geschichte so sehr miteinbezogen. Das beginnt schon bei der Erklärung der Kriegsursachen. Sie werden hier in den europäischen Kontext und die Machtpolitik bei der Bildung der Nationalstaaten im 19. Jahrhundert gestellt. Krieg galt damals noch als legitimes Mittel der Politik. Auch der Kriegsverlauf wird, könnte man fast sagen, unparteiisch nacherzählt. Auch preußische Augenzeugen werden zitiert, Uniformen beider Seiten nebeneinander präsentiert.

Vorrangig auf Video beruht die Darstellung der Annexionszeit: Das unterlegene Frankreich musste im Jahr 1871 das Elsass und den Teil Lothringens, der dem heutigen Département Moselle entspricht, abtreten und erhielt beides erst 1918 wieder zurück. An den unterschiedlichen Nuancen, mit denen deutsche und französische Historiker darüber sprechen, merkt man, wie heikel dieses Kapitel der Zwangsgermanisierung noch heute ist.

Ein Projekt der deutsch-französischen Versöhnung soll das Museum sein, hatte Generalratspräsident Patrick Weiten erklärt. Mit diesem Kapitel unternimmt das Département einen ersten Schritt, das deutsche "Erbe" in seine Identität zu integrieren. Und gerade das ist nicht nur mutig, sondern auch sehr spannend.

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musee-de-la-guerre-de-1870

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