Der Kampf um die Leser von morgen

Saarbrücken · In seinem Laden in der Saargemünder Straße in St. Arnual verkauft Wolfgang Schmidt seit 27 Jahren Bücher. Er kennt seine Kunden und ihre Vorlieben. Zum Welttag des Buches haben wir ihn gefragt, wie Überlebensstrategien für kleine Buchhandlungen aussehen.

 Karin Lauf-Immesberger mit einem E-Book-Lesegerät der Stadtbibliothek. Foto: Iris Maurer

Karin Lauf-Immesberger mit einem E-Book-Lesegerät der Stadtbibliothek. Foto: Iris Maurer

Foto: Iris Maurer

Heute ist der Unesco-Welttag des Buches. Auch die Saarbrücker Stadtbibliothek beteiligt sich an den Aktionen, die bundesweit stattfinden: indem sie Buchpakete der Stiftung Lesen zum Abholen und Verschenken bereithält. Neben solchen Sonderaktionen setzt sie aber in erster Linie auf "Leseförderung", um Saarbrücker fürs Lesen und Schmökern zu gewinnen. "Das ist für uns Bildungsarbeit, eine der zentralen Aufgaben für öffentliche Bibliotheken", sagt Karin Lauf-Immesberger, die Leiterin der Saarbrücker Stadtbibliothek.

So früh wie möglich müsse man Kinder ansprechen, um sie zu Lesern zu machen, habe die Leseforschung bewiesen, so Lauf-Immesberger. Motto: Was Hänschen nicht mag, lernt Hans nie mehr lieben. "Wir haben dafür ein abgestuftes Konzept", betont sie. Stufe eins: "Wir richten uns an die Eltern, bei uns Bilderbücher, Spiele, Hörbücher für ihre Kleinkinder auszuleihen oder ihre Kinder auch mitzubringen", erklärt die Leiterin. Jede Woche lädt die Bibliothek zur Vorlesestunde für Kinder ab drei Jahren aus dem "Bilderbuchschatz" ein.

Stufe zwei: "Wir wenden uns an die Kitas und machen mit den Kita-Gruppen regelmäßig Führungen durch unsere Bibliothek", sagt Lauf-Immesberger. So können die Kinder auch ohne Initiative der Eltern mit der Bücherwelt vertraut werden. Zusätzlich biete man regelmäßig Fortbildungen für Kita-Erzieherinnen an, in denen sie lernen, was sie tun können, damit die Kita-Kinder Spaß am Lesen finden.

Stufe drei: Auf Inititiative von Lauf-Immesberger fährt der städtische "Bücherbus" alle Grundschulen, die es wünschen, an. "Am besten ist es, wenn die Schüler ihn dann klassenweise mit ihrer Lehrkraft besuchen können, und nicht nur kurz in der Pause", betont die Leiterin. Im Bücherbus, der mit 4000 Büchern bestückt ist, können sie schon mal den Ausleihvorgang kennenlernen. "Das nimmt ihnen die Angst vor der Institution Bibliothek", weiß Lauf-Immesberger. 2179 registrierte, aktive Nutzer hat allein dieser Bus, der leider nur einmal im Monat touren kann.

Regelmäßig kommen auch Schulklassen zu einer Führung in die Bibliothek. "Neben der klassischen Leseförderung, haben wir die Aufgabe, die Informationskompetenz zu stärken, dafür arbeiten wir auch mit den weiterführenden Schulen zusammen", sagt Lauf-Immesberger. Die Bibliothekare erklären den Schulklassen dann etwa, wie man ein Lexikon benutzt oder auch welchen unterschiedlichen Nutzen Bücher und das Internet bei der Recherche haben. Für viele Schüler ist die Stadtbibliothek heutzutage zu einem beliebten Arbeitsort geworden, erklärt Lauf-Immesberger. Sie machen hier Schulaufgaben, bereiten Referate vor und treffen sich in Arbeitsgruppen. Natürlich können sie sich auch einfach mal in eine kuschelige Sitzecke zurückziehen und einen guten Abenteuerroman lesen. "Das Buch hier könnte Ihnen auch gefallen, Frau Müller", sagt Wolfgang Schmidt und hält seiner Kundin, die gerade eine Bestellung abholt, ein Exemplar des Romans "Das Herzenhören" hin. Der Roman ist aktuell auf keiner Bestseller-Liste zu finden, in der Janus Buchhandlung in der Saargemünder Straße in St. Arnual aber ist er das meistverkaufte Buch - auch wegen der Empfehlung durch Schmidt. "Wer es selbst gelesen hat, will andere damit beschenken", glaubt Schmidt. Seine Kunden finden in seinem Laden auch anderes zum Verschenken: "Diese Postkarten sind einfach zu niedlich, ich kaufe Ihnen noch das Regal leer", droht eine andere Kundin im Spaß, sobald sie an der Reihe ist. "Ich weiß", erwidert Schmidt: "Ich hab schon Neue bestellt."

Schmidt kennt seine Klientel, die größtenteils aus St. Arnual kommt, und deren Vorlieben. So bestellt er auch mal auf gut Glück ein einzelnes Buch für einen Kunden, weil er denkt, es passe zu ihm. "Das Schönste an meinem Job ist es, wenn eine Kundin den Kopf reinsteckt und mir mit einem hochgestreckten Daumen signalisiert, dass meine Empfehlung gut war", sagt der 67-Jährige.

27 Jahre schon berät Schmidt, nimmt Bestellungen auf, hilft beim Geschenkesuchen. "Den Bücherladen habe ich aufgemacht, weil meine Frau immer gemeckert hat ob der vielen Bücher, die zu Hause rumstanden", erinnert er sich an die Anfänge seiner Buchhandlung. In einem zweiten Laden, der einen eigenen Eingang hat und im hinteren Teil mit der Buchhandlung verbunden ist, verkauft Schmidts Ehefrau Monika Naturpflegeprodukte, Deko-Artikel und Spielwaren. Bevor Wolfgang Schmidt den einstigen Naturkostladen übernommen und zum heutigen Buchladen gemacht hat, war er Versandbuchhändler. Wegen mangelnder Bestellungen habe er den Job aufgegeben. Auch heute spüre er wieder einen "eklatanten Rückgang an Bestellungen" - wegen des Internets. Dabei dauert eine Lieferung auch nicht länger als bei einem Online-Versandhandel - von einem auf den anderen Tag können die Kunden ihre Bücher abholen. Doch trotz der Konkurrenz im Internet ist Schmidt zuversichtlich: "Bevor kleine Buchhandlungen wie diese dichtmachen, schließen die großen." Denn die Leute identifizierten sich eher mit einem inhabergeführten Laden: "Sie wollen persönliche Empfehlungen. Die bekommen sie hier, da ich die Bücher selbst gelesen oder von anderen Kunden empfohlen bekommen habe."

Schmidt selbst liest etwa fünf Bücher pro Monat, am liebsten "schöngeistige Belletristik, aber auch Jugendbücher". Seine Leidenschaft für Geschichten konnte er nach eigener Aussage nicht an seine vier Kinder weitergeben. "Die fühlten sich vielleicht erschlagen von all den Büchern in ihrer Kindheit", sagt Schmidt und schmunzelt. Zwar gebe es deshalb keinen direkten Nachfolger in der Familie, der den Laden übernimmt. Aber darüber denkt er auch nur bedingt nach: "Meine Vorstellung reicht nur so weit, als dass ich einmal in meinem Sessel hinter der Ladentheke sterben möchte."

 Buchhändler Wolfgang Schmidt möchte seinen Laden in St. Arnual noch lange weiterführen. Sterben möchte er am liebsten in seinem Sessel hinter der Theke. Foto: Oliver Dietze

Buchhändler Wolfgang Schmidt möchte seinen Laden in St. Arnual noch lange weiterführen. Sterben möchte er am liebsten in seinem Sessel hinter der Theke. Foto: Oliver Dietze

Foto: Oliver Dietze

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StichwortWelttag des Buches: 1995 erklärte die Unesco den 23. April zum "Welttag des Buches und des Urheberrechts". Er geht zurück auf den katalanischen Brauch, am Namenstag des Schutzpatrons St. Georg Rosen und Bücher zu verschenken und fällt auch mit dem Todestag von William Shakespeare und Miguel de Cervantes zusammen. Seit 1996 feiert man diesen Tag auch in Deutschland. Organisiert von der Stiftung Lesen und dem Börsenverein des Buchhandels, verschenken über 3000 Buchhandlungen und Bibliotheken an ihre Kunden Bücher. Schulklassen erhalten dieses Jahr als Geschenk zum Welttag des Buches die Geschichte "Die Jagd nach dem Leuchtkristall". sbu

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