Herrn Wegeners Gespür für Klang

Saarbrücken. Alte Baumwollspinnerei, St. Ingbert; Bernd Wegeners Arbeitsräume: eisig kalt, dafür aber geräumig und hoch genug, um unendlich viele seiner Instrumente zu fassen. Neben klassischem Schlagzeug hängen hier Glocken und Glöckchen, lagern schwere Eisenringe und Kinderspielzeuge, asiatische Klangkörper und Backformen, Grubenschrott

Saarbrücken. Alte Baumwollspinnerei, St. Ingbert; Bernd Wegeners Arbeitsräume: eisig kalt, dafür aber geräumig und hoch genug, um unendlich viele seiner Instrumente zu fassen. Neben klassischem Schlagzeug hängen hier Glocken und Glöckchen, lagern schwere Eisenringe und Kinderspielzeuge, asiatische Klangkörper und Backformen, Grubenschrott. Hier erforscht Bernd Wegener die Klänge, die in den Dingen stecken - gewaltig oder zart, verstörend oder verzaubernd, auch in Abhängigkeit verschiedener Raumsituationen. Wegener hat so seine ganz eigene Klangsprache entwickelt, sie in einer Reihe von Projekten und Ensembles umgesetzt, dazu in eigenen Performances. Heute ist er gefragt von Luxemburg bis Dresden, von Berlin bis Sankt Gallen.Wann und wie fängt eine solche Entwicklung an? Bernd Wegener findet mit 18 Jahren, eher spät also, als Schlagzeuger zum Musikmachen - bei Rock und Blues. Doch als er mit Mitte 20 den Jazz-Percussionisten Pierre Favre im Fernsehen sieht, ist es "mit dem normalen Schlagzeug vorbei." Der Fünf-Viertel-Takt des Jazz öffnet ihm eine neue Welt, Improvisationen und Experimente folgen. Brüche tun sich auf, als er sich eine Weile im Bioladen-Geschäft verausgabt, der Liebe wegen, in Tübingen und Saarbrücken. Parallel dazu besucht er zahlreiche Meditations-Camps von Sri Chinmoy in New York.

Ein Highlight jeder Musikerbiografie stammt aus dieser Zeit: Wegener steht mit Carlos Santana auf der Bühne. Fast beiläufig erzählt er davon: "Wir hatten den gleichen Guru, und da ergab es sich so." Dann aber folgt eine Krise, und darin die Erkenntnis: Wichtiger als jeder Guru ist Unabhängigkeit; sein "brennendes Interesse" an freier musikalischer Entwicklung ist wieder da.

Ende der 90er dann, so formuliert es Wegener, "ging der Kopf auf": In Berlin wird er erst Schüler, dann Assistent des Klangkünstlers Robin Minard, Anfang 2000 in Saarbrücken Lehrbeauftragter an der Hochschule für Bildende Kunst. In Zusammenarbeit mit einer Vielzahl saarländischer und überregionaler Künstler wirkt er in der Musik-, Theater- und Tanzszene, bei internationalen Ausstellungen und Performances, mit eigenen Arbeiten wie 2007 "Le son du vent/Windklang", installiert auf der Freundschaftsbrücke zwischen Groß- und Kleinblittersdorf. Bedeutende Auszeichnung ist 2008 der Stuttgarter Theaterpreis (2008) für "herausragende künstlerische Leistung".

Zu den wichtigsten Kooperationen der letzten Jahre zählen die mit dem Countertenor Orlando/Roland Kunz, mit Wegeners Quartett "Fliegen und Surfen" sowie mit dem Klangkünstler Stefan Zintel (Hochschule für bildende Kunst Saar). Das Duo Wegener-Zintel erklimmt seit Anfang 2012 mit der App "Fragments" die Top 100 Charts rund um den Globus. Diese und die zugehörige CD bilden eine Synthese aus analoger und digitaler Tonkunst und Grafik der befreundeten Künstler. Ähnlich auch ihre Performance "Tafelmusik", die oft nachgefragt wird.

Seine Erdung hat Wegener bei all dem nicht verloren. So bleibt er auch als Rock-Schlagzeuger gefragt. Weil, so beschreibt es ein Saarbrücker Musikerkollege, "er bei einem Gig abgeht wie eine Rakete. Und er hört genau heraus, was die anderen Musiker brauchen, in jedem Augenblick."

Auf einen Blick

An diesem Samstag, 24. März, gibt es Kostproben von Bernd Wegeners Kunst: ab 12 Uhr vor dem Kulturcafé, St. Johanner Markt, zusammen mit weiteren Schlagwerkern.

Nächstes überregionales Highlight: Konzert in der Dresdner Frauenkirche am 22. September mit Orlando Circle.

Klangkunst-CDs des Ensembles "Fliegen und Surfen" und die CD "Fragments" über www.soundmuseum.de

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