Das Paradies der Gräfin

Völklingen. Lust auf einen Ausflug ins Paradies? Im Saarland kein Problem: "Das Paradies ist täglich ab 10 Uhr geöffnet", steht auf den Internetseiten der Völklinger Hütte. Gemeint ist ein Garten auf dem Gelände des Weltkulturerbes, angelegt ausgerechnet dort, wo die Hütte früher am schmutzigsten war: zwischen der alten Kokerei und der Saar

Völklingen. Lust auf einen Ausflug ins Paradies? Im Saarland kein Problem: "Das Paradies ist täglich ab 10 Uhr geöffnet", steht auf den Internetseiten der Völklinger Hütte. Gemeint ist ein Garten auf dem Gelände des Weltkulturerbes, angelegt ausgerechnet dort, wo die Hütte früher am schmutzigsten war: zwischen der alten Kokerei und der Saar. 25 Jahre lang haben allerlei Pflanzen dieses Areal so üppig überwuchern können wie sonst kaum einen Ort im Hüttengelände. Hier einen Garten anzulegen, ein "Paradies" gar, das war und ist ein Projekt, das seinesgleichen sucht.Die Landschaftsarchitektin, unter deren Leitung das Völklinger "Paradies" realisiert wurde, trägt einen Namen, der selbst einen gewissen Zauber mitbringt: Catherina Ruffing Gräfin Bernadotte af (von) Wisborg. Wie spricht man sie an? "Gräfin Catherina", sagt sie auf Nachfrage, angenehm unverkrampft. Die Gräfin stammt aus eher konventioneller Garten-Umgebung, von der "Blumeninsel" Mainau der Familie Bernadotte. Das Projekt "Paradies" fand sie allerdings "von Anfang an höchst spannend!" - und erklärt das Außergewöhnliche dieser Arbeit mit nachwirkender Begeisterung: "Normalerweise entwirft man in meinem Job am Zeichenbrett etwas Neues, man fügt dem Bestehenden etwas hinzu. Hier war die Herausforderung genau umgekehrt: Statt mit dem Zeichenstift wurde sozusagen mit dem Radiergummi gearbeitet. Wir mussten zunächst einmal abtragen, was in 25 Jahren über die Anlagen hinweg gewachsen und gewuchert war. Vorsichtig, Schritt für Schritt." Teilweise führte der Weg zum Paradies in völlig undurchsichtige Böschungen hinein. "Wie Wundertüten kam uns das manchmal vor," erzählt sie. "Oft war auch erst mal Abbruchmüll zu bewältigen, bis zu drei, vier Meter hoch. Allerhand, was die Spaten da zu bewältigen hatten."

Auch richtig schöne Geschichten aus dem Paradies hat die Gräfin - wie die Kolleginnen vom Team des Weltkulturerbes - zu erzählen: die von einem selbstgebauten Schwenker der Kokerei-Arbeiter zum Beispiel, entdeckt und freigelegt in einer zugewachsenen Ecke und nun wieder zu sehen. Oder die Geschichte von dem Fuchs, der im moosbewachsenen Abkühlbecken zu baden pflegte: Für den hat man irgendwann eine Leiter aufgestellt, damit das Herausklettern gefahrloser klappt.

Wer als Besucher die Bezeichnung des Gartens als "Paradies" allzu wörtlich nimmt und nach üppigen Blumenrabatten Ausschau hält, wird erst einmal irritiert sein. Rechts und links von breit angelegten Fußwegen wächst jede Menge Unspektakuläres: Gras, Büsche, Bäume, wie man sie zu kennen glaubt. Besonders prächtig gedeihen allerdings einheimische Wiesenblumen in allen Farben, und eine Vielzahl von Schmetterlingen weiß offenbar genau das zu schätzen.

Gräfin Catherinas Konzept richtet sich natürlich vor allem an die Menschen, die die zugänglich gemachte Natur in Verbindung mit der (Industrie-)Kultur erleben und genießen wollen und sollen. Verschiedene Phasen der Naturentwicklung wurden durch Rückbau und durch Neubepflanzung deutlicher herausgearbeitet.

Die Wege durch das Gelände sind so ausgerichtet, dass sie immer neue Ausblicke freilegen - mal durch Sichtachsen in die Ferne, mal in schimmernde Gänge und Abgründe hinein.

Allmählich erschließt sich so der besondere Reiz: Hier, rund um die ehemalige Dreckschleuder Kokerei, mit Gebäuden in verschiedenen Verfallsstadien, mal von Pflanzen bedeckt, mal stärker freigelegt, wirken die Zeugnisse der Industriekultur nun fast organisch verbunden mit der gestalteten Natur. Das hat dann schon etwas von einer "anderen" Welt.

Zwischendurch gibt es bequeme Plätze zum Verweilen, wo auch ein mitgebrachtes Picknick verspeist werden kann. Wer die dafür notwendige Ruhe nicht schon von draußen mitbringt, kann sie hier finden. Wie gesagt: ab 10 Uhr im Paradies, und abends bis um 19 Uhr.

Voelklinger.huette.org

Zur Person

Catherina Ruffing Gräfin Bernadotte af (von) Wisborg ist als mittleres von fünf Kindern im Schloss der Familie auf der Insel Mainau aufgewachsen. Wie alle Geschwister musste sie einen tragfähigen Beruf lernen. Im Anschluss an Abitur und Sprachaufenthalte in Spanien, Schweden und Frankreich entschied sie sich für das Studium der Landschaftsarchitektur. Schon als angehende Diplom-Ingenieurin hatte sie im Bundeswettbewerb "Unser Dorf soll schöner werden" tragende Funktionen inne. Es folgten Auslandspraktika, die Berufstätigkeit in Großbritannien und schließlich die Verwirklichung eines Kindheitstraums: eine Rucksackreise rund um die Welt. Seit 2006 betreibt die 35-jährige das eigene Unternehmen "CCB design Garten + Landschaft".

Ein noch junges Lieblingsprojekt der Gräfin ist die Datenbank Hortipedia.com, die sie zusammen mit ihrem saarländischen Ehemann Romuald aufbaut. Der Idee von Wikipedia folgend soll darin ein umfangreiches Fachlexikon über Pflanzen bereitgestellt werden. mlg

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort