Der Mubarak-Tragödie vorletzter Akt

Kairo/Istanbul. Es ist ein Stoff für eine klassische Tragödie: Der von seinem Volk verstoßene alte Herrscher zieht sich - vom Leben bitter enttäuscht - zum Sterben in sein Schlafgemach zurück. Er hat keinen Appetit mehr. Nachrichten will er keine mehr hören. Seine Medizin mag er nicht nehmen

Kairo/Istanbul. Es ist ein Stoff für eine klassische Tragödie: Der von seinem Volk verstoßene alte Herrscher zieht sich - vom Leben bitter enttäuscht - zum Sterben in sein Schlafgemach zurück. Er hat keinen Appetit mehr. Nachrichten will er keine mehr hören. Seine Medizin mag er nicht nehmen. Der Schauplatz für den vorletzten Akt dieses Dramas liegt nicht im antiken Karthago oder in Korinth, sondern in einem luxuriös gestalteten Ferienhaus am Rande des ägyptischen Badeortes Scharm el Scheich.Hauptfigur der Tragödie ist Husni Mubarak (82, Foto: dpa), der abgesetzte Dauerpräsident vom Nil. Hier, in der künstlichen Ferienidylle von Scharm el Scheich, hat er sich schon in den vergangenen Jahren wohler gefühlt als im Smog von Kairo.

Was ehemalige Vertraute der Präsidentenfamilie jetzt arabischen Journalisten über die Stunden vor und nach der Entmachtung Mubaraks erzählen, zeichnet das Bild eines realitätsfernen Mannes, der es nicht verwinden kann, dass für ihn kein Ehrenplatz in der Geschichte reserviert wird.

Anders als einigen seiner Familienmitglieder sollen ihm Ruhm und Ehre letztlich mehr als die Milliarden bedeuten, die sein Clan in den vergangenen drei Jahrzehnten mit legalen und illegalen Geschäften angehäuft hat. Die Rede ist von 40 bis 70 Milliarden US-Dollar, deponiert in Konten in Großbritannien und der Schweiz, investiert in Immobilien im In- und Ausland sowie Firmenbeteiligungen im Hotel- und Gaststättengewerbe sowie im Automobilsektor in Ägypten.

Fassungslos soll Mubarak in seinen letzten Tagen in seinem Palast in Kairo die Live-Reportagen des TV-Senders Al-Dschasira vom Tahrir-Platz angesehen haben. Als ein Vertrauter versucht, Mubarak mit dem Satz "Herr Präsident, die von Al-Dschasira übertreiben mal wieder sehr" zu beschwichtigen, gibt dieser nach den Schilderungen barsch zurück: "Hört endlich auf, mich zu belügen!"

Am Donnerstag soll Mubarak eine Rede an das ägyptische Volk aufnehmen. Immer noch klammert er sich an der Macht fest. Er hält eine Rede, mit der er sich schrittweise aus der Politik zurückziehen soll. Der ältere Sohn Alaa ist an Mubaraks Seite. Er soll gerufen habent: "Welcher Esel hat denn diesen Redetext geschrieben?" Von den anwesenden Beratern und Militärs antwortet niemand. Dann zieht sich Mubarak in sein Schlafzimmer zurück.

Alaa bleibt solange an der Seite des Präsidenten, bis dieser einschläft. Dann sucht er laut Zeitung seinen jüngeren Bruder auf und schreit ihn an: "Du und deine Freunde, ihr habt das Land zerstört, und mein Vater zahlt jetzt den Preis dafür." Angeblich soll Alaa bei diesem Wortgefecht auch handgreiflich geworden sein. Am nächsten Vormittag verlassen die Mubaraks und mehrere Begleiter per Helikopter Kairo in Richtung Scharm el Scheich.

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