"Wir sind noch nicht an der Spitze"

Herr General, wie ist die Sicherheitslage im Norden, für den die Bundeswehr ja zuständig ist?Fritz: Die Sicherheitslage im Norden ist sicherlich noch angespannt. Die Zahl der Sicherheitsvorkommnisse im Jahr 2010 liegt über der des Jahres 2009. Es gibt aber auch Erklärungen dafür. Zunächst gibt es Zonen, die mehr bedroht sind als andere

Herr General, wie ist die Sicherheitslage im Norden, für den die Bundeswehr ja zuständig ist?Fritz: Die Sicherheitslage im Norden ist sicherlich noch angespannt. Die Zahl der Sicherheitsvorkommnisse im Jahr 2010 liegt über der des Jahres 2009. Es gibt aber auch Erklärungen dafür. Zunächst gibt es Zonen, die mehr bedroht sind als andere. Das zweite, und das halte ich für den wesentlichen Grund: Wir haben seit Sommer 2010 unsere Truppen im Norden mehr als verdoppelt und können in viel mehr Flächen hineingehen, auch viel intensiver operieren. Ich sage das immer in einem Bild: Wenn ein Jäger zum ersten Mal in einen Waldbereich hineingeht, wo er bisher noch nicht war, bringt er das Wild erst richtig hoch.

Aus Kundus kommen beinahe täglich Berichte von Gefechten. Hat die Bundeswehr das Schlimmste bald hinter sich oder wird es erst noch schlimmer, bevor es sich bessert?

Fritz: Ich glaube schon, dass wir uns einer Art Kulminationspunkt nähern. Wir sind noch nicht an der Spitze angekommen. Deshalb werden die vor uns liegenden Wochen und Monate sehr, sehr wichtig. Es kann noch harte Gefechte geben. Wir müssen darauf eingestellt sein, dass es durchaus noch schlimmer kommen kann. Aber wenn dieser Punkt überschritten ist, sind wir auf der anderen, der besseren Seite des Berges. Ich halte 2011 für ein ganz entscheidendes Jahr.

Wie reagieren die Aufständischen auf den Druck?

Fritz: Sie spüren den Druck. Die Reaktionen werden zunehmend gewalttätiger und verzweifelter. Vor relativ kurzer Zeit ist der Gouverneur der Provinz Kundus ermordet worden - in einer Moschee beim Freitagsgebet. Das muss man sich so vorstellen, als wenn man in Deutschland einen Politiker beim Sonntagsgottesdienst umbringen und dann versuchen würde, uns zu erzählen, dass man ein Freund der Christen sei. Das passt nicht mehr zueinander.

In der Politik wird ein Abzugsplan gefordert. Wie bewerten Sie das aus militärischer Sicht?

Fritz: Meine ganz persönliche Auffassung ist: Die Frage eines Abzuges muss immer abhängig gesehen werden von der Beurteilung der Lage. Diesbezüglich bin ich vorsichtig optimistisch. Im Übrigen, und das kann ich nur immer wieder unterstreichen: Ein Truppenabzug ist ganz gewiss keine Entscheidung nur nach militärischen Kriterien. Das ist eine hochpolitische Entscheidung. Man muss dabei sehr genau darauf achten, wie weit wir fortgeschritten sind im Bereich der guten Regierungsführung und im Bereich des Wiederaufbaus. Diese Entscheidung wird im Bündnis beraten und getroffen - in Abstimmung mit den Afghanen.

Es gab Kritik am Besuch des Verteidigungsministers Guttenberg in Afghanistan, weil er seine Frau und Talkmaster Johannes B. Kerner mitgenommen hat. Haben Sie die Kritik verstanden?

Fritz: Um ehrlich zu sein: nein. Wir waren in der Vorweihnachtszeit. Weihnachten ist ein Fest für Familien. So habe ich auch den Besuch des Ehepaars zu Guttenberg verstanden. Ich habe den gesamten Besuch begleitet und habe vor Ort und hautnah erlebt, wie die Soldatinnen und Soldaten reagiert haben. Und es war durchweg eine positive Resonanz. Was Herrn Kerner angeht: Das war auch in Ordnung, weil es dadurch gelungen ist, unser Anliegen, was wir hier in Afghanistan leisten, einer breiteren Öffentlichkeit vor Augen zu führen. Ich sehe das Ganze positiv.

Alles zusammengenommen: die Ablehnung des Einsatzes in Deutschland, das Desinteresse weiter Teile der Öffentlichkeit am Einsatz und der langsame Fortschritt in Afghanistan. Wie ist die Stimmung der Truppe?

Fritz: Ich bin sehr viel draußen, habe auch Weihnachten draußen bei meinen Soldaten und Soldatinnen verbracht. Und ich kann Ihnen nur sagen: Die Stimmung in der Truppe ist gut, und sie ist optimistisch, weil die Männer und Frauen Fortschritte sehen. Es passiert etwas, wir kriegen Kontrolle über Gebiete, die hochgefährdet gewesen sind. Wenn wir in schwierige Gefechtsphasen kommen, werden Sie bei den Soldaten sehr häufig die Reaktion spüren: Jetzt erst recht! Wir hören nicht auf - allein deshalb, weil wir nicht möchten, dass die Opfer, die unsere gefallenen und verwundeten Kameraden gebracht haben, umsonst sind.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort