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Berlin. Wahlen sind so ziemlich das beste, was den Piraten passieren kann. Dann steigen ihre Werte in den Umfragen, die Medien reißen sich um sie, und potenzielle Partner klopfen an. Zurzeit stehen keine Wahlen an, und prompt gehen die Sympathiewerte zurück. Nach einer gestern veröffentlichten Forsa-Umfrage fielen sie in der Wählergunst um zwei Punkte auf sieben Prozent

Berlin. Wahlen sind so ziemlich das beste, was den Piraten passieren kann. Dann steigen ihre Werte in den Umfragen, die Medien reißen sich um sie, und potenzielle Partner klopfen an. Zurzeit stehen keine Wahlen an, und prompt gehen die Sympathiewerte zurück. Nach einer gestern veröffentlichten Forsa-Umfrage fielen sie in der Wählergunst um zwei Punkte auf sieben Prozent. Das große Ziel steht dennoch fest: Die Piraten wollen sich als fünfte oder sechste Kraft im Parteiensystem etablieren.Parteichef Bernd Schlömer warnt: "Der Einzug in den Bundestag ist kein Automatismus." Aber unübersehbar scharren schon zahlreiche Möchtegern-Parlamentarier mit den Hufen. In den Ländern beginnt in Kürze die Aufstellung der Kandidatenlisten. Schlömer selbst sagt "Nö", wenn er nach seinen Ambitionen gefragt wird, aber spekuliert wird über andere, etwa den früheren Parteichef Sebastian Nerz oder Geschäftsführer Johannes Ponader. In vier Länderparlamenten sind die Piraten vertreten, darunter auch im Saarland,und es ist deutlich erkennbar, wie diese Erfahrung die Partei verändert. Sehr positiv berichteten etwa NRW-Piraten von ihren ersten 100 Tagen im Düsseldorfer Landtag. Das mag sich inzwischen etwas geändert haben. Die Strafanzeige einiger Piraten gegen Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD) wegen des Ankaufs gestohlener Steuerdaten aus der Schweiz ist aber auch in der Partei selbst umstritten.

Wenn auch kaum jemand unter den Piraten zur Fundamentalopposition neigt, herrscht doch noch Unsicherheit darüber, was genau mit der parlamentarischen Arbeit bezweckt werden soll. Transparenz, Beteiligung, Bürgerrechte, da bleibt vieles wolkig. Und einiges fehlt noch zu einer professionellen Aufstellung für die Wahlen im Bund und in den Ländern 2013. Dazu gehört auch, dass noch fast die Hälfte der rund 35 000 Mitglieder ihren Jahresbeitrag schuldig geblieben ist.

Am 1. und 2. September treffen sich Piraten aus dem ganzen Bundesgebiet in Essen, um über eine "Fraktionspolitik 2.0" im Bundestag zu beraten. Entscheidendes Datum ist der Bundesparteitag am 24. und 25. November in Bochum. Urheberrecht, Datenschutz, bedingungsloses Grundeinkommen - das sind bisher die Kernforderungen der Piraten. Doch in Bochum sollen auch Aussagen zur Außen- und Sicherheitspolitik, zu Gesundheits- und Finanzpolitik für das Wahlprogramm festgezurrt werden.

Meinung

Nur Transparenz reicht nicht

Von Hagen Strauß (SZ)Noch ist es viel zu früh für einen Abgesang auf die Piratenpartei. Gleichwohl ist die neueste Umfrage, wonach die bei Wahlen in den Ländern so erfolgreichen Polit-Neulinge bundesweit klar an Zuspruch verloren haben, ein Zeichen: Der Wähler will langsam aber sicher von den Piraten anderes hören als "Da sind wir noch nicht positioniert". Es zeigt sich, dass allein mit Transparenz und mehr Beteiligung kein Staat zu machen sein wird, wenn man in den Bundestag einziehen will. Je näher die Bundestagswahl heranrückt, desto intensiver wird der Bürger danach fragen, wofür die Piraten stehen. Ende November veranstalten sie ihren Bundesparteitag, dann müssen dringend neue, inhaltliche Weichen gestellt werden. Ansonsten droht der bundespolitischen Kaperfahrt womöglich das Aus.

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