Innenminister stoppt Abmahn-Gesetz

Berlin. "Wir machen Schluss mit dem Abmahn-Missbrauch", verkündete Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger im Frühjahr stolz. Am 21

Berlin. "Wir machen Schluss mit dem Abmahn-Missbrauch", verkündete Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger im Frühjahr stolz. Am 21. September schickte sie den anderen Ressorts dann einen Gesetzentwurf gegen unseriöse Geschäftspraktiken von Inkasso-Unternehmen und Anwälten, die massiv Geld kassieren, wenn jemand sich illegal aus dem Internet Filme oder Musik herunterlädt. Das Selbstlob war voreilig. Denn nun hat erst einmal ein Kabinettskollege Schluss gemacht mit dem Elan der FDP-Politikerin. Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) legte sein Veto ein. Wie schon öfter bei Vorhaben der Justizministerin.Während alle anderen Ministerien in der internen Ressortabstimmung keine grundlegenden Bedenken zu dem Entwurf äußerten, ließ Friedrich daran kein gutes Haar. Seine schriftliche Stellungnahme, die unserer Zeitung vorliegt, gipfelte in der Feststellung, dass zu bezweifeln sei, ob überhaupt ein gesetzgeberischer Handlungsbedarf bestehe. Denn die Zahl der urheberrechtlichen Abmahnungen sei von 575 000 im Jahr 2010 auf 218 000 in 2011 gesunken. "Tendenziell ist von einem weiteren Rückgang auszugehen." Heutzutage würden andere Tauschmöglichkeiten verwendet, die schlechter aufzuspüren seien. Außerdem speicherten nicht mehr alle Internet-Provider die Verbindungsdaten. Es stelle sich daher viel eher die Frage, "ob Handlungsbedarf hinsichtlich der einheitlichen Speicherung von Verkehrs- und Verbindungsdaten besteht", schrieb der CSU-Politiker. Bekanntlich liegen Friedrich und Leutheusser-Schnarrenberger schon seit Jahren wegen einer solchen von der FDP-Ministerin strikt abgelehnten Vorratsdatenspeicherung miteinander im Clinch.

Auch im Detail fiel Friedrichs Urteil vernichtend aus. Die von der Justizministerin geplante Begrenzung des Streitwertes auf maximal 1000 Euro führe zu einer Regelgebühr von nur noch 97,50 Euro je Abmahnung. Das hatte Leutheusser-Schnarrenberger auch beabsichtigt, derzeit werden die Internetnutzer von findigen Anwaltskanzleien und Inkassofirmen mit Kostenbescheiden von in der Regel 750 Euro unter Druck gesetzt. Nicht selten auch das Doppelte. Und es werden astronomische, sechsstellige Streitwerte festgelegt, die den Betroffenen Angst machen.

Friedrich jedoch fand, die Absenkung könne erst recht "zu einer deutlichen Zunahme von Massenabmahnungen" führen, weil sich Einzel-Briefe für die Kanzleien vom Arbeitsaufwand her nicht mehr lohnten. Eingedämmt würden lediglich die "seriösen Abmahnungen", formulierte der Innenminister. Die ganze Idee sei "kontraproduktiv". Auch bemängelte der Innenminister, dass in dem Gesetzentwurf keine unterschiedlichen Streitwertgrenzen für Filme und Musik genannt sind. Das sei "verfassungsrechtlich bedenklich". Härter geht eine Kritik innerhalb einer Regierung kaum.

Am Dienstagabend informierte Friedrichs Staatssekretärin Cornelia Rogall-Grothe ihre Kollegin vom Justizministerium Birgit Grundmann. Eine Einigung wurde dabei erst gar nicht versucht. Es habe sich eher um eine Information gehandelt, hieß es. In FDP-Kreisen wird vermutet, dass die CSU mit der Blockade lediglich "Verhandlungsmasse" im Poker um das Betreuungsgeld aufhäufen will. kol Foto: Loos/dapd

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