"Geld allein garantiert noch keinen Kindersegen"

Herr Rauschenbach, wie erklärt sich der Widerspruch zwischen Aufwand und Nutzen in der Familienpolitik?Rauschenbach: Mehr oder minder hohe Ausgaben in der Familienpolitik lassen noch keine Rückschlüsse auf die Zahl der Geburten zu. Wenn es immer weniger Frauen im gebärfähigen Alter gibt, dann kommen auch weniger Kinder zur Welt

Herr Rauschenbach, wie erklärt sich der Widerspruch zwischen Aufwand und Nutzen in der Familienpolitik?Rauschenbach: Mehr oder minder hohe Ausgaben in der Familienpolitik lassen noch keine Rückschlüsse auf die Zahl der Geburten zu. Wenn es immer weniger Frauen im gebärfähigen Alter gibt, dann kommen auch weniger Kinder zur Welt. Dabei hat sich die Anzahl der geborenen Kinder pro Frau in den letzten Jahren mit 1,36 bis 1,38 nicht dramatisch verändert.

In Frankreich ist die Geburtenrate mit über 2,0 aber deutlich höher. Woran liegt das?

Rauschenbach: Es gibt noch andere Faktoren, die das Kinderkriegen begünstigen oder behindern. Wenn jüngere Menschen immer mehr Zeit für ihre Ausbildungen benötigen wie in Deutschland, dann reduziert sich das Zeitfenster für Frauen, Mutter zu werden. Und nach wie vor gilt bei uns in Westdeutschland die Devise, erst mal einen festen Job haben, bevor man an die Gründung einer Familie denkt. Außerdem hemmt es schnelle Familiengründungen, wenn man jungen Menschen alle Risiken des Arbeitsmarktes etwa in Form befristeter Beschäftigungen aufhalst.

Muss die Wirksamkeit der familienpolitischen Leistungen nicht trotzdem hinterfragt werden?

Rauschenbach: In den 195 Milliarden Euro sind zum Beispiel die Ausgaben für Schulen enthalten. Ich kann nicht recht erkennen, warum das familienbezogene Leistungen sein sollen. Ebenso gut könnte man sie dem Wirtschaftsbereich zurechnen, weil es sich um berufsvorbereitende Leistungen handelt. In der Summe stecken aber auch zweistellige Milliardenbeträge für das Ehegattensplitting, das nicht mehr zeitgemäß ist.

Warum?

Rauschenbach: Weil es kein Anreizsystem für die junge Generation von heute ist, eine Familie zu gründen. Junge Frauen wollen doch nicht zuhause bleiben. Die allermeisten von ihnen sind gut ausgebildet und wollen arbeiten. Also muss es ein Anreizsystem geben, um Beruf und Familie besser zu vereinbaren. Das Ehegattensplitting ist da fehl am Platz.

Auch das Elterngeld ist eine sehr teure Geldleistung, deren Wirkung von namhaften Unionspolitikern jetzt in Frage gestellt wird. Zu Recht?

Rauschenbach: Nein. Kein Mensch weiß doch, ob die Geburtenrate womöglich noch weiter abgesunken wäre, wenn es das Elterngeld nicht gegeben hätte. Vor einigen Jahren hatten wir schon Prognosen, dass wir auch schnell bei nur noch 600 000 Geburten landen könnten. Das Elterngeld ermöglicht Müttern und Vätern wegen der sicheren Einkünfte ein intensives Zusammenwachsen mit dem Kind in seiner ersten Lebensphase. Diese Entwicklung zurückzudrehen, wäre ein fatales Signal.

Gilt das auch für das hoch umstrittene Betreuungsgeld, das 2013 starten soll?

Rauschenbach: Entscheidend bleibt, wie man Familien so unterstützt, dass sie geeignete Rahmenbedingungen vorfinden, um ihre Kinder groß zu ziehen. Ich finde beim Betreuungsgeld irritierend, dass es den Eltern verwehrt bleiben soll, die ihr Kind zwei Stunden in eine Kita geben, dass aber die Eltern, die das nicht tun und vielleicht zwölf oder 14 Stunden arbeiten gehen, Betreuungsgeld erhalten sollen. Das ist mit dem gleichzeitig proklamierten Ziel einer guten Bindungsqualität zum Kind unvereinbar.

Foto: Schutzbengel

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort