Eine genetische Überdosis

Homburg. "Das Down-Syndrom ist praktisch eine Überdosis von 250 verschiedenen Erbanlagen, die zum Beispiel die Entwicklung der Herzhöhlen beeinflussen. Daher kommt es beim Down-Syndrom häufig zu Herzfehlern als Begleiterkrankung", erklärt Professor Doktor Wolfram Henn (Foto: privat), Leiter des Institutes für Humangenetik am Homburger Universitätsklinikum

Homburg. "Das Down-Syndrom ist praktisch eine Überdosis von 250 verschiedenen Erbanlagen, die zum Beispiel die Entwicklung der Herzhöhlen beeinflussen. Daher kommt es beim Down-Syndrom häufig zu Herzfehlern als Begleiterkrankung", erklärt Professor Doktor Wolfram Henn (Foto: privat), Leiter des Institutes für Humangenetik am Homburger Universitätsklinikum. Auch Veränderungen im Magen-Darm-Bereich treten auf, zudem Schwächen des Bindegewebes und der Muskeln, Anfälligkeiten für Infekte sowie Fehlfunktionen der Schilddrüse. Durch geeignete Maßnahmen, zumal wenn sie früh genug einsetzen, sind diese Probleme aber weitgehend in den Griff zu bekommen."Die Entwicklungsprozesse des Gehirns werden durch das Down-Syndrom ebenfalls negativ beeinflusst. Also die Verschaltung von Nervenzellen, die dadurch einfach langsamer, schwieriger und mühevoller kommunizieren und nicht so verästelt sind, wie bei anderen Menschen", erklärt Henn. Zudem sind bestimmt Hirnregionen oft unterentwickelt, was zu Problemen beim Kurzzeitgedächtnis, bei der Informations-Verarbeitung oder bei der Sprachentwicklung führen kann. "Allerdings gibt es große individuelle Unterschiede."

Zudem wird die Entwicklung des Gehirns nicht nur durch Gene, sondern auch durch Umwelt- und Erfahrungsfaktoren beeinflusst. Daher profitieren Kinder mit Down-Syndrom von frühen Stimulierungsprogrammen, einem anregenden Umfeld und ansprechendem Unterricht.

"Ein großes Thema ist auch Alzheimer. Die Erbanlagen im Chromosom 21 beeinflussen das Protein, das sich bei Alzheimer als Eiweißklumpen auf den Gehirnzellen ablagert." Soll heißen, "Menschen mit Down-Syndrom haben eine vermehrte Neigung, an Alzheimer zu erkranken. Und das auch früher als andere." Nichtsdestotrotz seien Kinder mit Down-Syndrom erstaunlich lernfähig, was in der Vergangenheit oft unterschätzt wurde. Herausragendes Beispiel ist der 34-jährige Spanier Pablo Pineda, Europas erster Akademiker mit Downsyndrom. "Dieser Mann ist der Einstein unter den Menschen mit Down-Syndrom." Der Mediziner sieht das jedoch mit gemischten Gefühlen: "Wenn dieser Mann auf einen Sockel gehoben wird, birgt das die Gefahr, dass Eltern gesagt wird: Seht her, da könnt ihr euer Kind hinbringen, wenn ihr euch nur genug anstrengt." Und wenn das nicht funktioniere, "kommen die Selbstvorwürfe und die Schuldgefühle". Daher warnt der Mediziner: "Eltern eines kleinen Kindes mit Down-Syndrom zu versprechen: Seid getrost, am Ende kann euer Kind Bundeskanzler werden, wenn ihr nur intensiv und früh genug fördert, damit setzt man Ziele, die nicht erreichbar sind." Wirklichkeitsnaher sei: "Für Eltern eines Kindes mit Down-Syndrom, das heute geboren wird, gibt es eine realistische Perspektive, mit den entsprechenden Rahmenbedingungen und in einem geschützten Umfeld, als Erwachsener ein selbsttragendes Leben zu führen." In der Schule ist Inklusion besonders wichtig. "Auch nichtbehinderte Kinder profitieren von der schulischen Inklusion", unterstreicht Henn und nennt: Verantwortungsbewusstsein, Toleranz und soziale Kompetenz. tog

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