Demonstration in Berlin pro Beschneidung

Berlin/Köln. Rund 300 Menschen haben gestern in Berlin auf einer Demonstration die die Straffreiheit religiöser Beschneidungen gefordert. Zu der Kundgebung hatte das Jüdische Forum für Demokratie und gegen Antisemitismus aufgerufen

 Jüdische Teilnehmer der Demonstration für die Straffreiheit von Beschneidungen gestern in Berlin. Foto: Florian Schuh/dpa

Jüdische Teilnehmer der Demonstration für die Straffreiheit von Beschneidungen gestern in Berlin. Foto: Florian Schuh/dpa

Berlin/Köln. Rund 300 Menschen haben gestern in Berlin auf einer Demonstration die die Straffreiheit religiöser Beschneidungen gefordert. Zu der Kundgebung hatte das Jüdische Forum für Demokratie und gegen Antisemitismus aufgerufen. Der Aufruf wurde von über 50 Organisationen und Einrichtungen unterstützt, darunter der Evangelischen Landeskirche, dem Erzbistum Berlin, dem Türkischen Bund Berlin-Brandenburg, der Deutsch-Israelischen Gesellschaft und der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit.Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD) sagte, die Debatte betreffe Grundfragen, die "alle miteinander" berührten. Thierse warnte davor, dass nach dem Kölner Urteil der Staat künftig definiere, was zum Kern einer Religionsgemeinschaft gehöre. Die Frage könne "um unser aller Freiheit willen" auch nicht von einem einzelnen Richter entschieden werden. Die Frage nach dem Kindeswohl dürfe nicht allein unter medizinischen Gesichtspunkten betrachtet werden. Er werde sich dafür einsetzen, dass das Parlament eine Regelung schaffe, die es Juden und Muslimen erlaube, das zu tun, was sie nach ihrem Selbstverständnis tun müssten.

Der Präsident des Zentralrates der Juden, Dieter Graumann, sagte, er empfinde es als "unerträglich, dass man uns Juden als Kinderquäler abstempelt. Auch werde jüdisches Leben als "illegitim" dargestellt. Er habe Verständnis für die Aussage seiner Vorgängerin, Charlotte Knobloch, sie spüre Resignation und sehe erstmals seit 1945 die jüdische Existenz in Deutschland in Frage gestellt.

Die frühere Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, Lala Süsskind, nannte die Beschneidungsdebatte "ein Sommerloch-Thema". "Weder Juden noch Muslime verstümmeln ihre Kinder", sagte sie. Die Diskussion hatte Ende Juli ein Urteil des Kölner Landgerichts ausgelöst, das religiös motivierte Beschneidungen als Körperverletzung wertet.

Der Bundesvorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Kenat Kolat, verwies auf die jahrhundertelange Tradition der Beschneidungen. Dies werde niemand in Deutschland "stoppen und verbieten können". Zugleich mahnte Kolat die Bundesregierung, diese Frage gemeinsam mit den Religionsgemeinschaften zu beraten. "Was nützt eine Regelung, die dann abgelehnt wird."

Berlin, Bayern und Baden-Württemberg wollen von einer Strafverfolgung von Ärzten, die Beschneidungen bei jüdischen und muslimischen Jungen vornehmen, absehen, bis eine bundesweit einheitliche Regelung gefunden wird. epd/afp

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