„Das ist für mich unerträglich“

Nach Ansicht von Bundestags-Vizepräsidentin Claudia Roth würde die Drohung, Russland die Fußball-WM 2018 zu entziehen, Wladimir Putin mehr treffen als jede Wirtschaftssanktion. Im Gespräch mit SZ-Korrespondent Hagen Strauß übt die Grüne auch scharfe Kritik an IOC-Präsident Thomas Bach.

Frau Roth, ist Russland noch ein geeigneter Gastgeber für die Fußball-WM 2018?

Claudia Roth: Wir müssen durchaus hinterfragen, ob so ein Weltereignis in einer Situation stattfinden kann, wo ein Präsident wie Herr Putin militärisch in einem anderen Land interveniert und aggressiv Frieden und Stabilität gefährdet. Ich bekomme Gänsehaut, wenn ich daran denke, dass wie jetzt bei den Paralympics der Sport eine Kulisse für Putin abgeben muss.

Glauben Sie, dass eine Drohung, Russland die WM zu entziehen, mehr bewirken wird als Wirtschaftssanktionen?

Roth: Millionen von Zuschauern weltweit schauen sich dieses Ereignis an. Putin versteht die WM genauso wie die Olympischen Spiele als Werbeveranstaltung für sich selbst. Eine solche Drohung trifft ihn also weit mehr als manche der angedachten Sanktionen.

Haben Sie auch Gänsehaut bekommen, als Sie IOC-Präsident Thomas Bach mit Putin Champagner trinken sahen?

Roth: Absolut. Ich habe es schon außerordentlich bedauert, dass Thomas Bach am Ende der Olympischen Spiele in Sotschi sich explizit bei Putin bedankt hat. Den Dank an den Staatspräsidenten habe ich bei anderen Spielen so nie vernommen. Dass Bach jetzt als Herr des IOC bei der Eröffnung der Paralympics mit Putin Champagner trinkt, das ist für mich unerträglich. Wo doch russische Soldaten auf der Krim sind, wo Putin eine Eskalation des Konfliktes betreibt und die Krim aufgefordert wird, aus der Ukraine auszutreten.

Was hätten Sie von Bach erwartet?

Roth: Ich hätte von Thomas Bach erwartet, dass er sich außerordentlich zurückhält. Dass er darüber nachdenkt, ob die Paralympics, die ja von ganz großer Bedeutung für die Sportler sind, an einem Ort stattfinden können, der nur 500 Kilometer von der Ukraine entfernt ist. Sich hinzustellen, und mit dem Champagnerglas auf Herrn Putin anzustoßen, das ist eine Verhöhnung der Opfer auf dem Maidan. Und auch der Menschen, die weltweit in der jetzigen Situation Angst haben.

Die Haltung von IOC und Fifa ist doch, Sport und Politik zu trennen.

Roth: Es ist doch irreführend zu behaupten, man könne Sport und Politik trennen. Hat es nichts mit Politik zu tun, wenn während der Olympischen Spiele die Mitglieder von Pussy Riot verhaftet werden? Oder das IOC der ukrainischen Delegation verbietet, einen Trauerflor zu tragen, obwohl auf dem Maidan Menschen erschossen worden sind? Natürlich hat das was mit Politik zu tun.

Und die Sportler? Sitzen sie zwischen den Stühlen?

Roth: S portler dürfen nicht missbraucht werden für politische oder propagandistische Interessen. Das ist bei den Paralympics jetzt besonders schlimm. So geht es nicht. Dann richtet sich der Sport auch zugrunde, wenn er da nicht anders und selbstbewusste r auftritt.

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