Nun lockt die Berliner Luft

Wellesweiler · Das Betätigungsfeld von Heide Henn hat sich auf einen Schlag enorm erweitert: War sie bisher als ehrenamtliches Stadtratsmitglied in der SPD-Fraktion für die Neunkircher Kommunalpolitik mitverantwortlich, sitzt sie nun als Berufspolitikerin im Deutschen Bundestag. Ihre ersten Eindrücke in der Bundeshauptstadt schildert sie im Gespräch mit unserer Zeitung.

 Ihre Verbundenheit zum Christentum zeigt die SPD-Politikerin Heide Henn auch beim Fototermin: Als Ort der Aufnahme wählte sie die Wellesweiler Stengelkirche aus. Foto: Willi Hiegel

Ihre Verbundenheit zum Christentum zeigt die SPD-Politikerin Heide Henn auch beim Fototermin: Als Ort der Aufnahme wählte sie die Wellesweiler Stengelkirche aus. Foto: Willi Hiegel

Foto: Willi Hiegel

Beim Wandern kann sie sich "entspannen ohne Ende". Für die Spaziergänge müssen aber statt der naturnahen Neunkircher Umgebung jetzt auch mal die Berliner Parks herhalten: Heide Henn wird nach ihrem nicht unbedingt erwarteten Sprung in den Bundestag ihr Leben zwischen Berlin und Wellesweiler einrichten müssen.

Zwei Mal nahm sie bereits die 6.30-Uhr-Maschine ab Ensheim, um den ersten Fraktionssitzungen ihrer Partei beizuwohnen. Die konstituierende Sitzung des neuen Bundestages ist erst am Freitag nächster Woche - dann wird Heide Henn auch sehen, welcher der 631 Abgeordneten-Plätze im Plenarsaal des Reichtagsgebäudes ihr zugewiesen ist. Vorerst ist noch vieles provisorisch: Der Abgeordneten-Ausweis ist noch ohne Foto, eine Wohnung muss noch gesucht werden, auch wo sich ihr Büro befinden wird, weiß sie noch nicht. Auf sich gestellt ist sie aber ganz und gar nicht: Ihre künftigen Büromitarbeiter (siehe "Hintergrund") wie auch die Saarbrücker Abgeordneten-Kollegin Elke Ferner mit ihren 19 Jahren Bundestagserfahrung kümmern sich um sie.

Überhaupt fühlt sich die Neunkircher Neuabgeordnete von den "alten Hasen und Häsinnen" der SPD-Fraktion bestens aufgenommen. Wie auch von der Fraktionsspitze. "Ich habe mich von der ersten Minute an in Berlin nicht fremd gefühlt", sagt Heide Henn. Eine wichtige Erfahrung für sie als eine Frau, die aus ihrem Herzen keine Mördergrube macht: "In der Fraktion muss man sich nicht verstellen, da kann man sagen, was man denkt." Als sie sich als einer der 87 Neulinge vor der 193-köpfigen sozialdemokratischen Fraktion vorstellte, merkte der wiedergewählte Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier an: "Seelsorgerinnen hatten wir noch nie in der Fraktion, aber so was braucht man." Auch Ex-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück nahm sachkundig Bezug auf ihren Beruf Diakonin: "Du kannst ja die Tageslosung hier einführen", bot er an.

Politik und Glaube sind für Heide Henn fest verbunden. Keineswegs verwunderlich also, dass die Wellesweilerin schon ins Auge gefasst hat, eine Andacht in der Reichstags-Kapelle zu halten. Ihr von Religiosität bestimmtes Eintreten für den "sozialen Kitt" in der Gesellschaft wurde ihr im sozialdemokratisch wie auch kirchlich geprägten Elternhaus in die Wiege gelegt. Zusammen mit sechs Geschwistern wuchs sie in Sonnenberg-Winnenberg bei Idar-Oberstein auf - ein Ort, der wegen vieler in den Edelsteinschleifereien Beschäftigten eher Arbeitermilieu aufwies. Gleichwohl sieht die 51-Jährige - ihr Alter entspricht fast genau dem Altersdurchschnitt ihrer Fraktion (50,6 Jahre) - die SPD nicht mehr als "klassische" Arbeiterpartei: "Wir müssen Büroangestellte, Verkäuferinnen oder soziale Berufe integrieren!" In eine politische Schablone pressen kann man Heide Henn wohl nicht. "Mein Herz schlägt schon links", sagt sie, outet sich aber auch als Fan von Steinbrück. Und überraschend für viele ihrer Bekannten ist wohl, dass sie sich um einen Sitz im Verteidigungsausschuss des Bundestages beworben hat. Aber auch das aus eher seelsorgerischer Sicht. Sie hat die mentale Betreuung der Soldaten im Hinterkopf. Die, so sieht sie es, in Krisengebieten erschüttert werden und mitunter eher am Rand der Gesellschaft stehen. Das zweite Gremium, in das sie möchte, ist, weniger überraschend, der Gesundheitsausschuss. Ihre jahrelange Erfahrung in der Altenpflege und der Seniorenbetreuung will sie hier politisch umsetzen.

So nimmt die erstaunliche Berufs-Vita von Heide Henn - von Floristin über Altenpflegerin und Seelsorgerin zur Berufspolitikerin - für mindestens vier Jahre eine neue Wende. Eine Rückkehr auf ihren Arbeitsplatz bei der Kreuznacher Diakonie ("Ich bin ein Stück von ihr") ist eine feste Option. Nun will die bisherige Neunkircher Stadtverordnete, das verspricht sie, das Ohr im Wahlkreis haben und den Leuten von der Basis in Berlin eine Stimme geben. Ihre Kontaktfreudigkeit wird ihr dabei helfen. Denn eine von ihr zitierte Feststellung aus dem Bekanntenkreis besagt: "Du kannst mit einem Bettler genauso reden wie mit einem Arzt!"

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HintergrundAls ihre Büroleiterin in Berlin wird Yvonne Mockenhaupt Heide Henn unterstützen. Sie hat zwölf Jahre Erfahrung im parlamentarischen Betrieb, arbeitete zuvor für den ausgeschiedenen rheinland-pfälzischen Abgeordneten Fritz Rudolf Körper (SPD). Wissenschaftlicher Mitarbeiter ist auf Empfehlung von Astrid Klug Lukas Münninghoff (25). Vor Ort im Wahlkreis 299 wird "Organisations-Genie" Friedel Wagner, bekannt als Zugmarschall des Neunkircher Rosenmontagszuges, hauptamtlich das Hennsche Büro organisieren. Dazu kommen als studentische Mitarbeiter Michael Jakob aus Ludwigsthal und Dennis Raffael aus Bexbach.

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